Kante, eine der spannendsten Bands der sogenannten Hamburger Schule, waren irgendwann einfach verschwunden. Das ist nun acht Jahre her. Nach Liedern für eine Theaterproduktion kam einfach nichts mehr. Zumindest als Platte, denn genau das war ihr Weg: Musik für Theaterproduktionen in Wien, Berlin, Hamburg, Dresden hat die Band in den letzten Jahren gemacht. Nun wird ein Bogen zurück geschlagen, und eine Sammlung der Theaterlieder erscheint unter dem Titel „In der Zuckerfabrik“ als CD. Kante erkennt man direkt, der Unterschied zwischen der Rockband und der Theaterband liegt wohl zum einen an den Texten – klar! Zum anderen an dem – ebenfalls klar – theatralischeren Grundton. Aber insgesamt erscheint die Entwicklung nicht als Bruch. Alleine das Gesamte erscheint nun noch heterogener als ihre bisherige Musik. Neue Stilelemente fügen sich ein, und das nicht zum Schaden (Hook Music). Ghostpoet ist in etwa die smoothe, drogenfreie Variante von Roots Manuva. Der britische Musiker entstammt einem Grime-Kollektiv, legt mit „Shedding Skin“ nun aber schon sein drittes Soloalbum vor. Und das hat zwar Bass, ist aber wirklich nicht für den Club gemacht. In den 90er Jahren hätte man das Trip-Hop genannt: Die detailverliebten Soundscapes umrankt Ghostpoet geschmeidig mit seinen exzentrischen Lyrics. Eine betörende, fremde Welt (Play it again Sam).
Der Kölner Technoproduzent Mathias Schaffhäuser, der seit 1994 elektronische Musik produziert und seit 1997 sein eigenes Label Ware betreibt, war immer eher gut vernetzter Einzelkämpfer denn einer Schule zuzuordnen. So zeugt sein Weg immer wieder von ungewöhnlichen Ansätzen – von den unterschiedlichen Hommagen an die Beatles, dem Prog-Rock von King Crimson oder 80er-Pop über den Live-Einsatz der Mundharmonika bis zu Tracks mit politischem Statement. Als roter Faden seines Minimaltechno geht wohl am ehesten die fette Bassline durch. Die findet man auch reichlich auf seiner vierten Remixcompilation „RE:4 - Selected remixes vol. 4“, die auf zwei Club-EPs erscheint, denen jeweils CDs, die zusätzliche, ruhigere und experimentellere Stücke enthalten, beigelegt sind (Ware). Techno goes Klassik – again: Dieses Mal ist es Henrik Schwarz, der für „Instruments“ seine Stücke fürs Kammerorchester arrangiert, weil er deren akustische Wirkung, ohne Beat, erproben möchte. Das ist für jemanden, der das klare und knackige und natürlich auch die wohltuend verlässlichen Beats seiner Produktionen schätzt, schwer nachzuvollziehen. Das Ergebnis seines Experiments klingt trotzdem schön und pendelt zwischen Minimalmusic (in der Struktur) und Barock (in der Klangfarbe). Ein feines Album für‘s Homelistening, das mitunter an so manchen orchestralen Soundtrack erinnert. Aber trotzdem: „100% Kick Drum Free“ als Sticker auf einer CD – merkwürdiger Werbespruch für einen leidenschaftlichen Elektronikproduzenten (Sony Classical).
Der Sound des Avishai Cohen Trios klingt immer warm und voll. Der auffälligste Unterschied zwischen „From Darkness“ und den vorherigen CDs ist der fehlende Gesang des Bandleaders, der den letzten Alben einen melancholischen Grundton gab, der nun eher im Hintergrund steht. Auch die orientalischen Anleihen sind stark zurückgenommen. Die rhythmische Komplexität erinnert hingegen stark an „Gently Disturbed“, das erste Album von Cohens israelischer Trio-Besetzung. Das hat bisweilen schon den Charakter von Art-Rock, ohne jedoch in dessen aufgeblasenen Pathos zu verfallen (Razdaz Records).
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