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Katja Peglow (links) und Anna Seidel (rechts) über die Spuren von Riot Grrrl im heutigen Feminismus
Foto: Julia Reiker

Time to invent

03. Juli 2015

Vortrag von Katja Peglow und Anna Seidel über „Riot Grrrl“ am 1.7. im AZ Mülheim

In der angenehmen Kühle des Autonomen Zentrums Mülheim ließen sich die gefühlten 150°C des heißen 1. Juli bei vegetarischem Burger und Pommes perfekt aushalten. Natürlich war der Hauptgrund, überhaupt das Haus zu verlassen, ein anderer: Katja Peglow und Anna Seidel (Herausgeberin und Beitragende von „Riot Grrrl Revisited“) stellten die Riot Grrrls vor. Eingeladen hatte das Autonome Frauenreferat der Uni Duisburg-Essen, gespickt war der Vortrag mit amüsanten Comedyauszügen, Musikvideos und natürlich dem „Riot Grrrl Manifesto“.

BECAUSE…

Die (Punk-)Musik war das Medium, das die Riot Grrrl Bewegung zu Beginn der 1990er Jahre in Nordamerika vorantrieb. Hier begannen Frauen, sich gegen die Boy Band-Landschaft durchzusetzen und ihre aktive Rolle im Musikbusiness einzufordern. Mit „What is Riot Grrrl?“ gaben Kathleen Hannah und Bikini Kill der Frauenbewegung ein Manifest und einen Urtext und formulierten aus, was bis heute Relevanz hat: „BECAUSE I am still fucked up, I am still dealing with internalized racism, sexism, classism, homophobia, etc., and I don’t want to do it alone.“ Ganz konkret fordern sie Solidarität statt Konkurrenz unter weiblichen Musikern und das Aufbrechen patriarchalischer Strukturen, die auch nach der zweiten Welle des Feminismus besonders in nicht-öffentlichen Subkulturen noch vorhanden waren.

Girls just wanna have fun

Katja Peglow fragte nach den Gründen des Fehlens einer deutschen oder gar europäischen Riot Grrrl Bewegung und konstatierte subkulturellen Phänomenen zu der Zeit eine gewisse Schwerfälligkeit – da stellt sich die Frage, was wir eigentlich alle vor dem Internetzeitalter angestellt haben. Die amerikanischen Riot Grrrls haben sich ‚damals‘ noch „Mailings“ (genau: Briefe!) geschrieben und auf die Weise ein breites Netzwerk aufgebaut. Heute ist die sogenannte dritte Welle des Feminismus längst digital und global aufgestellt, was Anfang der 1990er noch in den Sternen stand. Trotzdem hatte Riot Grrrl eine geradezu ansteckende Wirkung, die sich von Olympia ausgehend über ganz Nordamerika erstreckte und schließlich Eingang in den Mainstream fand, so dass selbst Sitcom-Heldin Roseanne 1995 sagt: „There’s a revolution out there.“ Durch die falsche Repräsentation in den (männerdominierten) „trendgeilen“ Medien und das Fehlen einer vergleichbaren deutschen Hardcore- und Punkszene hatte Riot Grrrl es jedoch schwer im analogen Deutschland, so die Vortragenden.

Stattdessen hielten Girlies auf rosenbehangenen Schaukeln Einzug in die deutsche Popkultur und postulierten: „Mir geht’s so gut, weil ich ´n Mädchen bin.“ Girlism und die Vorstellung von (heterosexuellen) niedlichen und verspielten Mädels, die nur Jungs im Kopf haben, lässt sich eben einfach besser vermarkten, „feminin statt Feminismus“. Mit Parole Trixi erhielt Deutschland in den 2000er Jahren schließlich den ersten ‚großen‘ deutschen Riot Grrrl Ableger, als es in den USA schon wieder um andere Dinge ging.

Und heute, in einer Zeit, in der das Verhältnis von Frauen im Musikgeschäft trotz Beth Ditto und Co. immer noch nicht stimmt? Da gibt es trotzdem Hoffnung, wie durch das große Interesse an Ladyfesten oder Laurie Pennys feministischem Manifest „Unsagbare Dinge“ sichtbar wird. Die beiden Referentinnen haben dafür am Ende ihres Vortrages das perfekte Zitat gefunden: „Culture is what we make it […], now is the time to invent.“ Möge unser Erfindungsreichtum groß sein!

Julia Reiker

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