Muss nur noch 1070 Mails checken, was Nettes auf eBay kaufen, ein Spielchen hier, Facebook alle meine persönlichen Daten schenken. Monatelang hat Regisseur David Beyer bei seiner ersten Inszenierung in Dortmund mit 17 Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren gesprochen, auch über das Internet, und was es für sie bedeutet. Dann haben die Jugendlichen Szenen und Monologe geschrieben, die ihre Umgehensweise im Netz und untereinander analysieren. Herausgekommen ist das Stück „Virtueller Wahnsinn – Mein Leben im Internet“, das im Kinder- und Jugendtheater der Stadt seine Uraufführung hatte und jetzt beim Unruh®-Festival vertreten ist.
Erstmals ist die gemeinsame Initiative der Theaterhäuser im Ruhrgebiet zu Gast in Essen. Vom 28. Juni bis zum 1. Juli präsentieren Jugendtheatergruppen aus Bochum, Castrop-Rauxel, Dortmund, Duisburg, Essen, Hagen, Mülheim und Oberhausen ihre während der laufenden Spielzeit entstandenen szenischen Arbeiten. Das Festival bietet den jungen Leuten zudem die Gelegenheit, sich über eigene Erfahrungen, Arbeits- und Spielweisen sowie ästhetische Formen auszutauschen. Beim umfangreichen Rahmenprogramm können die Festival-Teilnehmer zudem gemeinsam Jammen, Musik hören, Spiele der Fußball-EM schauen oder sich auf der Impro-Theater-Bühne austoben. Das nennt sich dann auch schon mal „Grillen und grölen“ und wird wohl eine eher wilde Veranstaltung in der Kantine.
Neben dem Unruh®-Festival versteht sich der Treffpunkt „Kulturelle Bildung” als Arbeitstreffen zur Vernetzung von Theaterhäusern und Schulen im Ruhrgebiet. Lehrer, Erzieher, Kulturvermittler, Kulturschaffende, Mitarbeiter aus Jugendzentren und weitere Vernetzungsfreudige diskutieren mit Gästen aus Kultur, Politik, Gesellschaft und Bildung über Chancen und Herausforderungen in ihren Fachbereichen und tauschen sich über aktuelle Themen der Theater-, Musik- und Tanzpädagogik aus. Zudem werden vorhandene Strukturen und mögliche Kooperationen zwischen Kulturinstitutionen, Bildungseinrichtungen, soziokulturellen Zentren und sozialen Organisationen ausgelotet und natürlich auch Qualitätskriterien diskutiert.
Neben den fragmentarischen Werkstatt-Inszenierungen gibt es natürlich auch Theatergruppen an den Häusern, die sich an interessanten Stücken abarbeiten. In Oberhausen ist das „Fahrenheit“, nach Ray Bradburys „Fahrenheit 451“. Die 30 Jugendlichen begeben sich analog zu den Dortmundern in eine Zukunft, in der die Menschen auch aufgehört haben zu lesen. Fernsehen, Sport und schnelle Autos beherrschen die Freizeit, erst Tabletten ermöglichen das Einschlafen. Eigenständiges Denken ist gesellschaftsfeindlich und nicht erwünscht. Doch dem Feuerwehrmann Guy Montag kommen Zweifel. Er beginnt, bei seiner Arbeit Bücher zu stehlen, sie zu lesen und Fragen zu stellen.
Starten wird das Festival eher klassisch: mit dem Empfang aller teilnehmenden Ensembles inklusive Speed-Dating zum Kennenlernen. Danach „Ein klassisches Drama“ – eineEigenproduktion des Schauspiel Essen. Public Viewing, Trommel-Percussion und Kicker-Turnier mit heißen Würstchen lassen den Abend in Anwesenheit der neuen und alten Kulturministerin eher zünftig ausklingen.
„11. Unruh®-Festival“ I 28.6. bis 1.7. I Theater Essen I 0201 812 20
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24
Täglich 0,5 Promille
„Rausch“ am Schauspiel Essen – Prolog 09/23
„Bedürfnis nach Wiedergutmachung“
Aisha Abo Mostafa über „Aus dem Nichts“ am Theater Essen – Premiere 02/23
Theater als „Schule der Empathie“
Kara und Zintl leiten zukünftig das Schauspiel Essen – Theater in NRW 05/22
Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20
„Diese Songs drücken ähnliche Dinge aus“
Florian Heller und Christian Tombeil über „After Midnight“ – Premiere 12/19
Schnellballsystem der Sozialleistungen
Michael Cooneys „Cash“ am Theater Essen – Theater Ruhr 04/19
Selbstvermarktung, um zu überleben
„≈ [ungefähr gleich]“ am 30.11. in der Casa des Grillo-Theaters, Essen – Theater Ruhr 12/18
Flüchtlinge gegen Ping-Pong-Tisch
„Willkommen“ von Lutz Hübner im Grillo-Theater Essen – Theater 12/17
Geschicktes System
„Pussy Riots“ in der Essener Box – Theater Ruhr 07/17
Wenn der Tod zweimal klingelt
„Sophia, der Tod und ich“ am Schauspiel Essen – Theater Ruhr 04/17
Untote auf Drogen
„Die lebenden Toten“ in Essen – Theater Ruhr 04/17
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
„Da werden auch die großen Fragen der Welt gestellt“
Kirstin Hess vom Jungen Schauspiel Düsseldorf über das 41. Westwind Festival – Premiere 06/25
„Das Publikum ist verjüngt und vielfältig“
Opernintendant Heribert Germeshausen zum Wagner-Kosmos in Dortmund – Interview 06/25
Tanz als Protest
„Borda“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 06/25
Morgenröte hinter KI-Clouds
Das Impulse Festival 2025 in Mülheim, Köln und Düsseldorf – Prolog 05/25
Rock mit Käfern, Spiel mit Reifen
41. Westwind Festival in Düsseldorf – Festival 05/25
Das Vermächtnis bewahren
Eröffnung des Bochumer Fritz Bauer Forums – Bühne 05/25
Von und für Kinder
„Peter Pan“ am Theater Hagen – Prolog 05/25
„Der Zweifel als politische Waffe“
Intendant Olaf Kröck über die Ruhrfestspiele 2025 in Recklinghausen – Premiere 05/25
Entmännlichung und Entfremdung
Festival Tanz NRW 2025 in Essen und anderen Städten – Tanz an der Ruhr 05/25
Jenseits des männlichen Blicks
„Mother&Daughters“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 04/25