Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
14 15 16 17 18 19 20
21 22 23 24 25 26 27

12.579 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

„Pussy Riots“
Foto: Diana Küster

Geschicktes System

29. Juni 2017

„Pussy Riots“ in der Essener Box – Theater Ruhr 07/17

Wenn frisch „Historisches“ die Theaterbühne erreicht, dann wird das für Zeitgenossen immer eine Herausforderung. Bilder beherrschen die Welt, Filme verzerren die Realität. Die Angst geht um, dideldum. Dreh’ dich nicht um, denn der Plumpsack geht um, und wer zu spät kommt, der kommt ins russische Straflager IK-14. Kann man die Krümmung der Geschichte zurückbiegen? Ins lineare transformieren, die Wahrheit propagieren, ehrlich sein? Mehr Feminismus!

In der Essener Box inszeniert Magz Barrawasser einen „Aufstand in drei Akkorden“ und mit drei jungen Schauspielerinnen. Es geht um Pussy Riot, die politische russische Punkband, die 2012 in die Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale stürmte und dem goldgeilen Patriarchen die Leviten lies. Immerhin 41 Sekunden lang.

This system was never broken, it was built this way. Ein Spontispruch an der Wand, eine ratternde Kaffeemaschine, ein Bett, ein Fenster. Dann kann es ja losgehen. „Was würde dich dazu bringen, deinen Kaffee stehen zu lassen, raus auf die Straße zu gehen und den Aufstand zu proben?“ – mit dieser Frage fängt alles an, mit dieser Frage hört alles auf, denn Subversion gegen das Patriarchat hat noch nie funktioniert, entweder brennen oder erschossen werden, dann schon lieber Verfaultes im russischen Lager.

Der Drei-Akkorde-Punk teilt die Szenen. Ein Gemisch aus Wiki, Chimamanda Ngozi Adichie (eine feministische nigerianische Schriftstellerin) und unbekannten Dialogen leitet durch den Abend, der uns die Geschichte der Pussy Riots näher bringen soll. Zugegeben eine Herausforderung, und die drei geben alles an den sichtbar ungewohnten Instrumenten. Angst und Zorn wechseln sich ab, Kaffee und eine Lederjacke wandern. Sie sind Madonnen mit Sturmhauben, die echten Riots, hier wird „der Sündenfall“ zum Geschmack. Klar, zwei Jahre Lager sind auch nur eine bestimmte Anzahl von Stunden und deshalb hat das Patriarchat die Subversion des Feminismus längst mit einem riesigen aufblasbaren weißen Einhorn verbrämt und aufgesaugt. Das „Historische“ hat damals schon nicht stattgefunden. Leider. Der Mainstream bleibt.

„Pussy Riots“ | R: Magz Barrawasser | Do. 6.7. & Mi 12.7. 19 Uhr | Schauspiel Essen, Box | 0201 812 22 00

Peter Ortmann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Der Buchspazierer

Lesen Sie dazu auch:

Sternfahrt zum Shoppen
„Einkaufsstadt, 4300“ von Trio ACE in Essen – Prolog 03/24

Täglich 0,5 Promille
„Rausch“ am Schauspiel Essen – Prolog 09/23

„Bedürfnis nach Wiedergutmachung“
Aisha Abo Mostafa über „Aus dem Nichts“ am Theater Essen – Premiere 02/23

Theater als „Schule der Empathie“
Kara und Zintl leiten zukünftig das Schauspiel Essen – Theater in NRW 05/22

Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20

„Diese Songs drücken ähnliche Dinge aus“
Florian Heller und Christian Tombeil über „After Midnight“ – Premiere 12/19

Schnellballsystem der Sozialleistungen
Michael Cooneys „Cash“ am Theater Essen – Theater Ruhr 04/19

Selbstvermarktung, um zu überleben
„≈ [ungefähr gleich]“ am 30.11. in der Casa des Grillo-Theaters, Essen – Theater Ruhr 12/18

Flüchtlinge gegen Ping-Pong-Tisch
„Willkommen“ von Lutz Hübner im Grillo-Theater Essen – Theater 12/17

Wenn der Tod zweimal klingelt
„Sophia, der Tod und ich“ am Schauspiel Essen – Theater Ruhr 04/17

Untote auf Drogen
„Die lebenden Toten“ in Essen – Theater Ruhr 04/17

„Das Stück handelt eher von uns selbst“
Jörg Buttgereit über „Die lebenden Toten oder: Monsters of Reality“ in Essen – Premiere 03/17

Theater Ruhr.

Hier erscheint die Aufforderung!