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Eckart Hahn, One World, 2016, C-Print (Leuchtkasten), 125 x 203 x 9 cm, Privatsammlung
© E. Hahn

Oberfläche mit Falten

26. April 2018

Eckart Hahn in der Neuen Galerie Gladbeck – kunst & gut 05/18

Ist das ein Kaktus? Oder eben doch ein Handschuh, klobig, wie für Industriearbeiter oder Astronauten? Mitten im Ausstellungsraum und bereits vom Flur aus zu sehen, wächst die Skulptur mannshoch vom Boden auf. Ihr Zerknittertsein wird durch die Patina in Grünspan unterstützt. Angekündigt war in der Neuen Galerie mit Eckart Hahn ein Maler – und das ist er auch: einer der Besten auf dem Feld des Realismus – und so ist „Eternal Glove“ (2016) an den Wänden von Tafelbildern umgeben. Seine Absicht sei es aber nicht, Maler zu sein, sagt Eckart Hahn in der Ausstellung, in der es auch Leuchtkästen und Assemblagen zu sehen gibt. Es geht mehr um eine Haltung, Herangehensweise.

In seinen so irritierenden, verführerisch schönen Gemälden ist meist ein Sujet oder eine in allen Teilen aufeinander bezogene Figurenkonstellation im Bildzentrum fokussiert. Der leere, ortlose Farbraum beeinflusst das Bildklima. Mit ihren Lichtreflexen und Verschattungen wirken die Dinge – oft Tiere – körperlich, wobei man gerne über die Oberflächen streichen möchte. Die Dinge, die auf der Fläche mit den Mitteln illusionistischer Malerei so plastisch und effektvoll auftreten, bringen ihre eigene Geschichte mit. Oft beruht diese auf eigenwilligen, mithin surrealen Erfindungen und Kombinationen. Was wir in Gladbeck sehen, ist bizarr: Ein schwarzer Panther, sitzend auf einer blauen Box, auf den Rücken ein weißer Schwan und auf den Bauch eine weiße Taube mit dem gleichen roten Seil gebunden. Oder, eine Hand hält zwischen Daumen und Zeigefinger eine Blockflöte mit Dornennadeln, drei orange bzw. schwarze Scheiben sind davor geblendet.

Hahns Werke kennzeichnet die Aura von Allegorien, im indirekten Verweis auf anderes. Sie lassen sich besonders den kunstgeschichtlichen Gattungen des Porträts und des Stilllebens zuordnen und erinnern bei den Tieren an die Menagerie. Sie zitieren mitunter Meisterwerke der Malerei, etwa wenn es um den Schwan – und seine Rolle in der antiken Mythologie – geht. Aber das betrifft auch das „rembrandeske“ Braun, das nun also mit der knalligen Buntfarbigkeit der Pop Art kombiniert ist. Überhaupt Gegensätze: Es gibt in Hahns Bildern meist eine Energie, die kraftvoll gegensteuert: High wird mit Low verbunden, Natur mit künstlicher Produktion. Kalt mit warm, hart mit weich und bunt mit weiß. Statuarik mit Anspannung und Ausbreitung mit Verdichtung.

Der „Eternal Glove“ wirkt in seiner panzerartigen Kantigkeit als Schutz mit dem Schimmer von Natürlichkeit. Was Hahn gerade auch in seiner Malerei zeigt, sind artifizielle Hüllen aus einer Substanz, die auf unsere Konsumgesellschaft verweist. Die Tiere wirken wie ausgestopft oder wie aus Kunststoff oder Porzellan, also wie Nippes. Zugleich hält er mit seiner Malerei dagegen: Wie fühlt sich Gefieder an, wie verhält es sich mit einem Körper, der, nachgiebig, auf einem anderen liegt? Was macht überhaupt Leben und Lebendigkeit aus?

Eckart Hahn kommt immer wieder auf die gleichen Motive zurück, auf den Schwan und das farbige Tau, die Blockflöte, die Figur aus Plastiktüten, die als Oberflächen Umhüllungen von Volumen sind. Und wenn nichts drunter ist? „Hänsel und Gretel“ sind Häupter aus rundum laufenden Seilen, die Seilenden ragen heraus: Man könnte sie wie einen Pullover aufziehen. Und als Lunten könnte man sie anzünden, was nicht ganz so abwegig ist, denn auf einem der Leuchtkästen steht ein Mensch in Flammen. Gegenüber, bei „One World“, scheint die Erde zu brennen – und natürlich ist Hahns gesamtes Werk politisch in dem Sinne, dass es aktuelle drängende Fragen und gesellschaftliche Befindlichkeiten anspricht.

Eckart Hahn wurde 1971 in Freiburg im Breisgau geboren. Statt Kunst an der Akademie zu studieren, hat er Kunstgeschichte an der Universität studiert, hinzu kommen Ausbildungen in Fotografie und Grafik-Design. Heute lebt er in Reutlingen nahe der Schwäbischen Alb, seine Galerien sind in Berlin, Brüssel und New York. Wäre schön, wenn es nicht bei dieser einen, so gelungenen Ausstellung im Ruhrgebiet bliebe.

Eckart Hahn – Der schwarze Hund trägt bunt | bis 15.6. | Neue Galerie Gladbeck | www.neue-galerie-gladbeck.de

Thomas Hirsch

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