Die Erkenntnis, wie viel diese Modefotos an gesellschaftlichen Mustern und Zeitgeschehen mitteilen, stellt sich in dieser Schau erst allmählich ein, aber dann beginnt das Spiel der Verknüpfungen und Beziehungen. Das fabelhafte Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund zeigt in seiner aktuellen Wechselausstellung die Mode der 1960er Jahre, anhand von Fotografien, flankiert von Modezeichnungen, Stücken aus dem Deutschen Strumpfmuseum und einer audiovisuellen Station. Aber das wesentliche Medium der Vermittlung sind doch die rund 200 Fotos in schwarz-weiß, im moderaten Format, aus der „Sammlung Modebild – Lipperheidesche Kostümbibliothek“ der Kunstbibliothek Berlin. Die Aufnahmen konzentrieren sich ganz auf das Mannequin im modischen Dress, oft ist der Hintergrund neutral gehalten, und die Akteure (überwiegend Frauen) drehen sich so, dass die Mode in den Vordergrund rückt: Bei aller Schönheit waren eben nicht sie der Blickfang, sondern das, was sie trugen. Auftraggeber waren die führenden Modezeitschriften, und bei den Fotografen handelt es sich um anonyme Spezialisten, aber auch Koryphäen der Fotoszene, wie Helmut Newton und Guy Bourdin, die längst als Künstler gewürdigt sind. Und das merkt man. Immer wieder blitzt ein verwegener Einfall auf (schon in der Perspektive und im Zueinander von Licht und Schatten), der über die Mode hinaus das Sehen verlangsamt. Gerade bei diesen freieren Fotografien aber gehört dazu, dass die Frauen trotz aller „dienenden“ Funktion emanzipiert auftreten, selbstbewusst sind und darin, etwa mit ihrer Frisur, Merkmale ihres Jahrzehnts wie selbstverständlich zur Schau tragen. Mitunter deuten sich die Pop Art und eine bestimmte synchrone ästhetische Sprache an.
Dies klärt sich weiter bei den drei filmischen Klassikern aus den 1960er Jahren, aus denen einzelne Sequenzen komparativ verwoben sind, aber auch in der begleitenden Schau „Lieblingsstücke aus Dortmund“, welche Gegenstände, Kleidung und Küchengerät dieser Zeit, zur Verfügung gestellt von Bürgern, zeigt. Die Fotografien selbst sind typologisch nach Kleidungsstücken geordnet, und erst da wird einem so richtig klar, was alles zur Mode gehört, also Moden unterworfen ist und von Modedesignern daraufhin entworfen wird – und wie eine Kulturgeschichte der Mode aussieht.
„High Sixties Fashion“, bis 18. September im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund, www.museendortmund.de
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