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Das MenschenrechtsSlam-Team im Subrosa
Foto: Benjamin Trilling

Deutschland sucht den Super-Flüchtling

22. April 2015

MenschenrechtsSlam am 20.4. füllte das Subrosa

Der große Kurt Tucholsky hätte es wohl nicht anders gemacht: Nur wenige Tage, nachdem hunderte Menschen der EU-Abschottungspolitik zum Opfer fielen, verliest der Slammer Michael Schumacher beim MenschenrechtsSlam eine ätzende Satire über die Flüchtlingspolitik. Auf der Bühne des rappelvollen Subrosa heißt er zunächst alle willkommen – „zur neuen Ausgabe von Deutschland sucht den Super-Flüchtling". Vor allem die unkritische Berichterstattung, der zynische Diskurs über die unmenschliche Asylpolitik bekommt sein Fett weg: Zwei Kandidaten, „die es wirklich in sich haben“, werden präsentiert. Die DSDS-Jury ist begeistert von diesen abgehungerten Gestalten – Deutschland hat seinen Kandidaten, wie Bruce aus der Jury begeistert raunt: „Der Walk ist wirklich great“. Angesichts der Aktualität bleibt Einigen in der Nordstadt-Kneipe das Lachen im Hals stecken: Ist das nicht zu grob? Blanker Sarkasmus? Gar Zynismus? Doch zynisch ist nur die Sache, die Schumachers sozialkritische Verse behandeln, die Worte sind wirkliche politische Empörung. Das bekommt man auf hiesigen Slam-Bühnen viel zu selten zu hören! So kann auch die Flüchtlingspolitik nicht anders resümiert werden: „Hier kriegt jeder eine Chance. Denn Deutschland hat eine Willkommenskultur“. Die Frage sei nur, ob man bleiben darf.

„Wenn ich eine Drohne wäre“: Pazifistische Satire von Johannes Opfermann

Dass auch der richtige Umgang mit der Pressefreiheit ein Menschenrecht sein sollte und genau das oft nicht der Fall ist, macht dagegen Björn Rosenbaum in seinem Beitrag deutlich: Ein Journalist ringt zunächst mit sich, wie er denn nun den russischen Präsidenten Putin kritisch bezeichnen soll: „Was statt homophober Despot?“. Die Kompromisse – auch mit den Ideologen in der Redaktion: „Standhafter Macho“, „standhafter Führer“ bringen alle nichts. Am Ende wird der engagierte Schreiber von den Überbau-Aposteln zur Vernunft gebracht: „Wir sollen die Realität nicht abbilden, wir erschaffen die Realität“.

Johannes Opfermann fordert in seinem Text dagegen Maschinenrechte ein. Auch wenn das Leben als Drohne gar nicht so hart ist, wie sein Text zeigt: „Die Frauen und Kinder sterben nur kollateral.“ Und wenn man als Drohne auf all das kein Bock mehr hat? Dann wird eben der Kriegsdienst verweigert und Zivildienst geleistet.

Wer ist hier weltfremd? No Limit empört sich über unpolitische Träumer

Um ein weit verbreitetes Missverständnis dreht sich der Beitrag von No Limit: Sein lyrisches Ich wird als linker Chaot, als weltfremder Träumer bezeichnet. Was No Limit vorträgt, ist ein spannender Dialog, der politisch mutig Stellung bezieht. Denn weltfremd erscheint sein Gegenüber, wenn er philosophiert: „Ich bin ja kein Nazi – aber...das mit diesen Flüchtlingen kann ja nicht weitergehen.“ Der Träumer zählt die Fakten auf: Ausbeutung, Kriege, letztendlich tausende getötete Flüchtlinge. Umso empörter hält sein Träumer dagegen: „Du bist das System, dessen Umsturz ich ersehne.“ Der mutige Vortrag von No Limit wird belohnt. Am Ende gewinnt er den von Amnesty International veranstalteten MenschenrechtSlam.

Ein Abend mit empörten, engagierten, politischen Versen. So kann Poetry Slam gehen. Auch Kurt Tucholsky hätte es wohl so gemacht.

Benjamin Trilling

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