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Pop als Protest? Kyrosch Alidusti und Philipp Adamik im KuCaf
Foto: Benjamin Trilling

Auf, auf zum Pop

05. Dezember 2014

„Kampfzone Popkultur" am 2.12. im KulturCafé der Ruhr-Uni

Neugierige Gesichter hinter Feierabendbieren und den schweren Nerd-Brillen sind es, in die der Kulturkritiker Kyrosch Alidusti spricht, als er seine Theorie wie selbstverständlich auf die Zuhörenden zurecht stutzt: „Jetzt nehme ich uns mal als Proletarier“, so Alidusti. Die ProletarierInnen kommen gerade von der letzten Vorlesung, bei klirrender Kälte sind sie im gemütlichen KulturCafé im Studierendenhaus der Ruhr-Uni hängen geblieben, auf eine Runde Fiege-Pils – und natürlich Adorno. Und diese ProletarierInnen haben an diesem Abend nichts zu verlieren außer ihrer Subjektwerdung. Denn das ist die Frage des Abends: Ausbeutung, Verblendungszusammenhang und eine Kulturindustrie, die Dinge produziert, dass Herr Theodor Wiesengrund Adorno vor Wut doch glatt einen Hörsaal aufmuckender Studierender geräumt hätte. Wie soll bei all dem denn noch ein anständiges Subjekt herausspringen, Herr Gott noch mal? Wie das gehen kann, erklärten der proletarischen Zunft sowohl Alidusti als auch der Kulturwissenschaftler Philipp Adamik: Der Ort der Subjektwerdung ist natürlich der Widerstand.

Widerstand ist möglich

Einen solchen Widerstand aufzubauen ist natürlich kein Zuckerschlecken. Denn angesichts der Kulturindustrie, die Adorno in seiner „Dialektik der Aufklärung“ beschreibt, entstehe im Spätkapitalimus ein ideologisches Geflecht, das jegliche freie Subjekte schlichtweg untergrabe. Zur Erläuterung des komplexen Sachverhalts greift Alidusti auch auf andere mehr oder weniger marxistische Theoretiker zurück. So sagt etwa Georg Lukacs, dass die Warenbeziehung die gesamte Bewusstseinsstruktur des Menschen ausdrückt. Dagegen gelte es, einen kritischen Standpunkt zu gewinnen – und zu betreiben: „Die Kulturindustrie als Arena der kämpfenden Geistesarbeiter“, so Alidusti. Nötig sei eine Distanz, um in der Lage zu sein, die Gesellschaft trotz aller Totalität zu kritisieren. Und Alidusti wiederholt die wichtige Frage da gerne: „Woher kommt so etwas wie das Subjekt“? Denn es gehe um „individuelle gesellschaftliche Emanzipation.“ Genau dafür stehe auch die kritische Theorie. Wie dann doch (mündige) Subjekte entstehen können, beschreibt der kritische Theoretiker metaphorisch als eine Art Reiben an Ecken und Kanten des Systems: Geboren ist der nonkonformistische Intellektuelle (Alex Demirović), der weiß: „Denkerisches Auseinandersetzen mit der Welt ist bereits Praxis.“

Leck in der Kulturindustrie? Pop als (Kampf)-Propaganda

Bei Philipp Adamik geht die politische Praxis dann in den Tanz über. Den Rhythmus bestimmt der Pop und natürlich die Erkenntnis, „dass Kapitalismus immer noch scheiße ist.“ In seinem Vortrag fragt er, ob Pop fähig ist, Protest und Kritik zu leisten. Als praktisches Beispiel führt er den jüngsten Euromayday an: Am Nordmarkt, einem sozialen Brennpunkt Dortmunds, locken die Pop-Klänge die Massen an, so schildert zumindest Adamik die überwältigende Kraft von Tanz und Pop. Nicht die Verhältnisse werden bei Adamik zum Tanzen gebracht, sondern der Tanz ins Verhältnis gesetzt – zu einer doch sehr schmeichelhaften Auffassung von Protest. Aber wenn der Pop so zumindest der Subjektwerdung Starthilfe leistet....

Beide Kulturkritiker fragen zum Ende hin noch in den Raum, ob noch Fragen sind. Aber darin sind sie an diesem Abend schon vereinigt, die ProletarierInnen: Keine Fragen. Stattdessen lauter freie Subjekte.

Benjamin Trilling

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