trailer: Dominik, du arbeitest als Schauspieler und als Musiker auf gleich hohem Niveau. Als ersterer bist du ein Star, als letzterer ein Geheimtipp. Wie ist das möglich?
Dominik Buch: Ich bin mit Sicherheit kein Star. Trotzdem interpretiere ich das als Lob und freue mich darüber. Es ist Glückssache, ganz einfach. Sowohl beim Schauspiel als auch in der Musik und sicherlich auch auf vielen anderen Gebieten, kommt es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein und von den richtigen unterstützt zu werden. Im Musikalischen hatte ich in dieser Hinsicht weniger Glück, obwohl ich in die Musik sehr viel Arbeit stecke. Das ist auch der Grund, warum auf dem Gebiet in den vergangenen vier Jahren wenig von mir gekommen ist.
Die bislang zwei Alben mit deiner Band hörBuch klingen auch nicht wie nebenbei gemacht. Um es dem Lesepublikum in die Ohren zu bringen – dürfte man sagen, hörBuch klingt wie eine Mischung aus Roger Cicero, Blumfeld und Wohlstandskinder?
Eine spannende Kombination, finde ich gut. Ich sage immer ganz vage, wir machen deutsche Popmusik, um uns selbst den Raum zu lassen, Stil und Arrangement von Stück zu Stück zu ändern. Auf der anderen Seite bin ich allerdings auch kein Fan von Phrasen wie: „Uns kann man in keine Schublade stecken.“ Oder: „Wir sind anders als alle anderen.“ Das ist grundsätzlich Bullshit.
Deine Band wechselt in der Tat gerne bei jedem Lied die Gattung. Eben noch jazzige Revue, dann seliger Grunge, schließlich Soulpop.
Seit der Jugend höre ich nicht nach Gattungen, sondern nur nach guter Musik. Es gibt gleichzeitig Einflüsse aus Punk, Metal, Classic Rock, Jazz und Hiphop. Ob man die bemerkt, kann das Publikum besser beurteilen als ich.
Der Jazz steckt im Groove und im ganzen Vibe, vor allem bei deinem Klavierspiel. Den Hip-Hop bemerkt der Rap-Fan darin, dass du keine Scheu vor unreinen Reimen und Assonanzen hast.
Und nicht vorm Zeilenwechsel mitten im Satz! Das liebe ich. Ist vollkommen untypisch für Pop und stammt eher aus dem Freestyle und Battle Rap.
Deine Musik müssen viele sicher googeln. Lässt man hingegen den Titel „Club der roten Bänder“ fallen, horchen weitaus mehr auf. Die TV-Serie hat Riesenerfolg. Der Film kommt am 14.2. in die Kinos. Hin und wieder stehen an einem Tisch wie diesem hier junge Frauen und bitten wie Schulmädchen rotwangig um Autogramme.
Durch die Serie habe ich einen recht hohen Bekanntheitsgrad bekommen, fühle mich aber nicht prominent. Als Mensch hat sich für mich nichts geändert. Sprechen mich die Leute an, freue ich mich am meisten, wenn sie sagen: „Hey, ich hab dich auch noch da und da gesehen! Das fand ich auch gut.“ Das schönste Kompliment ist, als Schauspieler gemocht zu werden und nicht als eine Rolle.
Schauspiel bedeutet ja Warten. Man sitzt stundenlang herum, bevor man fünf Minuten dreht. Entstehen dabei deine Lieder?
Die entstehen eher bei anderen Formen des Wartens. Als ich damals an der Universität auf meine Aufnahmeprüfung für den Musikstudiengang und auf meinen Geigenlehrer wartete, ist zum Beispiel ein kompletter Song entstanden. Am Set bereite ich mich eher mit diversen Techniken auf die Rolle vor.
Am besten scheinen dich musikalisch gescheiterte Beziehungen ins Schreiben zu bringen.
Ja, aber viel später und sehr rückwirkend.
Viele denken ja fälschlicherweise, gute Kunst entstünde im akuten Schmerz.
Nein, man braucht viele Jahre Abstand, um eine Sichtweise einnehmen zu können, die schockt und funktioniert und überrascht. Steckt man noch mitten im Tief, kommen nur Plattitüden zu Tage. Aus akutem Kummer kann kein guter Song entstehen.
Was im Umkehrschluss bedeuten müsste, dass es den derzeitigen deutschen Chartpoeten akut schlecht gehen muss, so viele Phrasen, wie die sich auf den Leib schreiben lassen.
Manche Texte in dem Bereich werden wie Bausätze für einen bestimmten Event-Charakter geschrieben. Um einen Slogan wie „Diese Chöre singen für dich“ wird künstlich eine Story gebaut, damit man immer wieder zu dem Chorus kommt, der sich auf der Hochzeit ebenso einsetzen lässt wie im Fußballstadion oder beim Firmenjubiläum.
An Tage wie diesen singen unsere Chöre nur für dich ein Hoch auf uns und feiern tanzend das Leben, um grenzenlos zu sein.
(lacht) Ich sehe schon, du kennst dich aus.
Könntest du so einen kalkulierten, unpersönlichen Hit schreiben?
Das wäre sogar viel einfacher. Das Schwierige in der Kunst besteht darin, eine eigene Sprache zu finden. Das gilt für das Schauspiel genauso wie für die Musik. Irgendein Gefühl darstellen oder eigene Erinnerungen hochholen ist einfach. Du sollst Trauer spielen? Denk doch einfach daran, wie deine Mutter gestorben ist! Das ist Blödsinn. Die Frage lautet doch: Würde die Figur, die ich gerade spiele, beim Tod ihrer Mutter tatsächlich genauso reagieren wie ich? Womöglich säße die ja vollkommen still in Schockstarre. Beim Schauspiel geht es nicht darum, dass die Figur traurig ist, sondern warum die Figur traurig ist. Vielleicht weint er nicht, sondern schlägt die Einrichtung kaputt.
Als Schauspieler bist du weder nach Berlin noch nach Köln gegangen, sondern präsentierst dich bewusst als Ruhrgebietsgewächs. Der erste Menüpunkt auf deiner Webseite heißt „Heimat“. Der Titel-Slogan lautet: „Da wo ich herkomm sacht man da komm ich wech.“
Während hörBuch derzeit auf Eis liegen, schreibe ich als Herzensangelegenheit ein einzelnes Lied über das Ruhrgebiet nach dem endgültigen Ende der Kohle, das bei Erscheinen dieses Gesprächs vermutlich schon das Licht der Welt erblickt hat. Das Thema bewegt mich sehr. Inspiriert hat mich dabei mein Freund Matthias Bohm, der mit seinem Modelabel „Grubenhelden“ dieses alte Lebensgefühl bespielt und demnächst sogar auf der New York Fashion Week läuft. Die Frage lautet doch: Nachdem wir das Klischee von Stahl, Kohle und Malochertum historisch hinter uns haben, was sind wir dann wirklich? Denn dass der Ruhrpott anders ist, steht ja außer Frage. Wir können aber nicht abstrakt sagen, wir seien halt „so viel mehr“. Ja, was sind wir denn mehr?
Auf diese schwierige Frage möchtest du mit einem Lied Antwort geben? Die könnte 500-Seiten-Bücher füllen!
Das ist eine Herausforderung, ja. Aber es geht um die Frage, was die Werte von Wärme, Herzlichkeit, Ehrlichkeit und Loyalität, die hier entstanden sind, 2019 bedeuten und wie aus ihnen ganz viel positive Kreativität entstehen kann. Stellen wir es richtig an, kann das Ruhrgebiet das neue Berlin werden.
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