Es bedarf stiller Orte, um das Werk von Katsuhito Nishikawa zu erleben: die Vielschichtigkeit im Elementaren zu spüren und die Ausstellung als Resonanzraum zu erfahren. Nishikawa zeichnet, malt, arbeitet skulptural und präsentiert seine Werke als Installationen. Er konzipiert als Architekt und erstellt Mobiliar aus einfachem Holz. Aus allen Disziplinen zeigt nun das Museum DKM Werke von 1986 bis heute, und wenn es nicht so exquisit und exklusiv in den Setzungen wäre, könnte man von einer Werkübersicht sprechen – aber vielleicht ist es das sowieso, weil sich Nishikawa in seiner Haltung und dem Diskreten seiner Handschrift treu geblieben ist. Und so hält sich nun im Museum DKM die Balance zwischen Fülle und Leere, Offenbarung und Introvertiertheit, Harmonie und produktiver Spannung, gefördert noch dadurch, dass etliche Skulpturen paarig angelegt sind und sich sozusagen im Anderen – in Umkehrung – spiegeln.
Katsuhito Nishikawa wurde vor allem als Architektur-Bildhauer bekannt. Seine Architekturen sind wie Skulpturen und seine Skulpturen wirken mitunter wie Modelle für Architektur. Sein öffentliches Meisterwerk ist das architektonische Ensemble auf der Raketenstation bei Neuss, das Erde und Himmel als elementare Kräfte einbezieht. Ein Leitmotiv ist die Physalis: Eine solche Blüte aus Beton (2004) befindet sich auf Dauer in einem der Gärten im Neubau des DKMs.
Nishikawa wurde 1949 in Tokio geboren und hat dort studiert, ehe er 1973 nach Europa übergesiedelt ist, weil er sich tiefer mit der Kunst und Theorie des Bauhaus beschäftigen wollte. Er hat an den Kunstakademien in München und vor allem in Düsseldorf in der Klasse von Erwin Heerich studiert und blieb dann dort, ohne das fernöstliche Denken zu vernachlässigen. Nach der Eröffnung im DKM ist er jetzt für einige Monate nach Japan gereist; nach seiner Rückkehr wird er in einem der Ausstellungsräume eine traditionelle Teezeremonie durchführen.
Wenn man sich nun durch die Räume bewegt, zwischen den eher kleinen, kalkig weißen Skulpturen aus Gips und Holz auf dem Boden und auf passgenauen Sockeln und mit den wie im Morgentau vernebelten Malereien von Landschaft und Unterholz an der Wand, wird man auf seine eigene Körperlichkeit und auf das Farbempfinden zurückverwiesen. Das gilt selbst für die frühen sparsamen Zeichnungen, die bereits große Teile des Bildprogramms bis heute enthalten. Die Blüte etwa, eine zaghaft sich entfaltende Vegetation, die Gefäße, das Schattenhafte und zugleich Lichtdurchflutete im mehrschichtigen Auftrag. Das gebrochene Licht der matten Oberflächen, die ihr Klima im tageszeitlichen Ablauf verändern, findet sich regelrecht ausformuliert in der Werkgruppe „Color as shadow/Piero“ (2005). Bestehend aus 24 monochromen Tafeln hinter mildernden Acrylglasscheiben nimmt sie sich die Farbpalette des Renaissancemalers zum Ausgangpunkt um sich das Licht und die Tiefe der Farben und ihre Einzigartigkeit zu vergegenwärtigen: Auch dies ist ein anregender Beitrag zum seit Jahrzehnten fortgesetzten Nachdenken über unser Wahrnehmen und Empfinden als Teil des Universums mit dem Wunsch, dabei ebenso intensiv wie gerade noch hörbar aufzutreten.
Katsuhito Nishikawa | bis 22.11. | Museum DKM in Duisburg | 0203 93 55 54 70
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