Eine großzügige Altbauwohnung in Düsseldorf. In den Regalen Literatur und Kunstbücher, im Erker ein alter Tisch mit leerem Notenpapierblatt und Stift. Hier arbeitet Manfred Trojahn, Komponist und von 1991 bis 2016 Professor für Komposition an der Robert Schumann Hochschule. Seine jüngste Oper „Septembersonate“ kam im Dezember 2023 in Düsseldorf zur Uraufführung. Ein Gespräch über Trojahns bisherige Karriere.
trailer: Herr Trojahn, lassen Sie uns einen Spaziergang entlang ihres Lebenswegs machen. Wie sind Sie überhaupt zur Musik gekommen?
Manfred Trojahn: Ich führe es auf einen Moment zurück: Ich war zehn, war bei meiner Großmutter und da lief abends in ihrem Gartenhaus im Radio „Don Giovanni“. Ich weiß nur noch, dass ich am nächsten Morgen zu ihr gesagt habe: „Was dieser Mozart gemacht hat, das will ich auch machen.“ Ich flog vom Gymnasium, weil ich nur Notenpapier vollgeschrieben habe. Die Hauptschule machte ich mit links, folgte weiter meinen Träumereien. Ich kaufte ich mir Bücher, aus denen man lernen konnte, was eine Partitur ist und wie man sie schreibt. Mit 14 habe ich eine Zeitungsanzeige der Niedersächsischen Musikschule Braunschweig gefunden, die einen – wie ich heute weiß – guten Ruf hatte. Ich bin dorthin gestiefelt und eine nette Dame in der Verwaltung riet mir, Flöte zu lernen. Nach zwei Jahren Orchestervorschule konnte ich das Studium anfangen. So bin ich Flötist geworden. Komposition betrieb ich weiter autodidaktisch, da es dieses Fach an der Schule nicht gab. Mit 18 wechselte ich nach Hamburg, um bei Karl-Heinz Zöller, der von den Berliner Philharmonikern kam, weiter Flöte zu studieren. Dort hat mich Diether de la Motte in seine Kompositionsklasse aufgenommen, und dann ging alles ganz schnell: Bereits mit 21 Jahren begann ich zu veröffentlichen.
Wie kamen Sie mit neuer Musik in Kontakt?
Als ich nach Hamburg ging, kam ich nicht aus dem Urwald. Schon ab 1964 besuchte ich das Festival für Neue Musik in Braunschweig, lernte dort Komponisten wie Hans Werner Henze, Darius Milhaud, Hermann Reutter oder Alexander Tscherepnin kennen. Benjamin Britten hat mich sehr interessiert; ich erinnere mich bis heute, wie ich ihn bei einer Aufführung seiner Kirchenopern gesehen habe. Ich hörte dort eine neue Musik, wie sie nach dem Krieg existierte, die noch an Musik orientiert war, wie es sie gegeben hat, bevor die Gruppe um Stockhausen und Boulez den ganzen Bereich für sich in Anspruch nahm.
Sie kamen 1970 als junger, vom Betrieb unbescholtener Musiker an die Hamburger Hochschule mitten in die Avantgarde. Hat Sie das verunsichert?
Verunsichert nicht. Es hat mir aber klar gemacht, dass ich für bestimmte Dinge nicht in Frage komme. Ich war mit meiner zweiten Sinfonie in Donaueschingen, das wurde ein Skandal. Sicher auch, weil ich mich geweigert habe, nach dem Stück zu diskutieren. Der Deutschlandfunk widmete mir dann die erste einstündige Sendung über „Manfred Trojahn, den Möchtegern-Komponisten“. In Metz nannte man die Sinfonie „Neonazi-Musik“. Da das Stück sich mit Mahler auseinandersetzt, möchte man dem Kritiker leichte Beobachtungsschwäche testieren. Aber es war klar: Es gehörte sich nicht, solche Musik zu schreiben. 1984 wurden die „See-Bilder“ uraufgeführt – da war dann so eine Art Lehre oder Zeit des Ausprobierens vorbei.
Sind die „See-Bilder“ ein Zeugnis gefestigten Selbstbewusstseins? Hatten Sie sich damals gefunden?
Ich habe mich immer an bestimmten Dingen abgearbeitet. Für Mahler habe ich mich spät begeistert, das war anfangs gar nicht meine Musik. Zunächst habe ich mich sehr mit György Ligeti identifiziert. Meine erste Sinfonie bezieht sich auf bestimmte Strukturen in frühen Ligeti-Stücken. Ansonsten ist sie für eine Ligeti-„Adaption“ stilistisch zu uneinheitlich. Ich habe dann mit der „Architectura caelestis“ eine tatsächliche Ligeti-Adaption geschrieben, um mich von ihm zu verabschieden.
Sehen Sie in der Rückschau in den Stationen Ihres Lebens so etwas wie eine musikalische Entwicklung?
Wenn wir eine menschliche Entwicklung daraus machen, verändert sich, was ich musikalisch tue, notwendigerweise auch. Ich habe viele Wege und Stationen gelebt und Momente gehabt, in denen ich überzeugter war als heute, dass etwas für mich richtig ist. Ich bin zurückhaltender geworden, hatte sicher mal entschiedenere politische Haltungen als heute. Ich sehe einen extremen Wandel in der Gesellschaft. Ich fand gesellschaftliche Durchmischung immer wunderbar, habe mich selbst das halbe Leben in Frankreich, Spanien, Italien herumgetrieben. Aber ich halte Errungenschaften für gefährdet, die ich für diese Gesellschaft für wesentlich halte, und die in Frage gestellt werden. Das sind Entwicklungen, die sich auch auf die musikalische Sprache auswirken.
Was bedeutet das für Sie?
Mir fällt es momentan nicht leicht, neue Stücke zu komponieren. Das Würzburger Mozartfest hat ein Doppelkonzert bestellt für Bratsche, Klavier und Kammerorchester, das 2025 in Hamburg und Würzburg uraufgeführt werden soll. Es ist momentan schwierig für mich, eine Entscheidung zu fällen, was ich wie tun will. Es soll auch eine Sechste Sinfonie kommen. Zum ersten Mal ist es auch so, dass ich nicht absehe, wie es nach der „Septembersonate“ mit der Oper weitergehen soll. Ich habe verschiedene Sujets, mit denen ich gerne umgehen würde. Aber Entscheidungen zeichnen sich nicht ab, und ich stelle an mir selbst fest, dass ich ziemlich gegensätzlich Modelle von Musik habe, die man verwirklichen könnte.
Wie könnte es mit der Oper weitergehen?
Mich interessieren zwei Themen: Ich habe ein großes Ensemblestück gemacht, „Minotauromachie“. Das Sujet lässt mich nicht los; ich bin mir aber noch nicht im Klaren, wie ich aus dem Mythos herausgehe. Das für mich wesentlichere Thema sind „Die Riesen vom Berge“, die um ein Ur-Theaterthema kreisen, nämlich um Moral und Morallosigkeit des Theaters. Damit würde ich zu Pirandello zurückgehen: Mein auf „Enrico Quarto“ zurückgehender „Enrico“ stand 1991 am Anfang meines Opernschaffens.
Septembersonate | 4. (WA), 25.10., 4.11. | Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf | 0211 892 52 11
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