Es ist ausgesprochen konsequent, dass diese Ausstellung an diesem Ort stattfindet. Dirk Steimann, der Vorstand des Kulturforum Witten, hat schon in früheren Zusammenhängen mit Jürgen Meyer zusammengearbeitet, und Jürgen Meyer berührt mit seiner Malerei Fragestellungen, die indirekt Aspekte der informellen Kunst, die in Witten so exponiert vertreten ist, aufgreifen und weiterdenken. Darüber hinaus: Eine Ausstellung der Bilder von Jürgen Meyer ist immer ein Erlebnis.
Jürgen Meyer wurde 1945 in Celle geboren; er hat an der Werkkunstschule Hannover und an der Kunstakademie Düsseldorf studiert; ab 2003 hat der in Düsseldorf ansässige Künstler selbst als Professor an der Universität Kassel gelehrt. Einem internationalen Publikum wurde er auf der Documenta 1992 bekannt, mit Bildern, die in einer exquisiten Farbe, die mit Rakeln gestrichen ist, nichts außer sich zeigen. Thema sind ihre materielle und sinnliche Präsenz, der Auftrag und die Aufwerfungen der Farbe, und wie sich das Geschehen auf der Fläche verhält.
Deuteten sich in den frühen, expressiv vorgetragenen Bildern noch biomorphe Zusammenhänge an, so ist Meyers Malerei längst vollkommen gegenstandsfrei. Und sie hat sich von der Monochromie hin zum lebhaften Zusammenwirken zweier Farbtöne entwickelt. Malerei ist für Jürgen Meyer ein ständiges Experiment auf der Suche nach nie gesehenen Konstellationen und seltenen und neuartigen Farben für die Malerei; sie ereignet sich folglich in Werkgruppen, die unterschiedlichen Bedingungen unterliegen. So arbeitet Meyer zeitweilig mit Harz; oder er verwendet Kupferfarben und gießt sie als All-Over auf den körperhaften Bildträger. Wie unterschiedlich die Resultate dabei aussehen, wie konsequent Jürgen Meyer dabei vorgeht und wie leuchtend farbig, lebhaft seine Kunst in ihrer Gesamtheit auftritt, das zeigt jetzt die Ausstellung im Märkischen Museum, die den Zeitraum von 1997 bis 2010 umfasst. Die Bilder sind innerhalb der hauseigenen Sammlung im Obergeschoss präsentiert. Einige der Exponate der deutschen informellen Kunst der 1960er bis 1980er Jahre wurden an ihrem Ort belassen – und Jürgen Meyer reagiert nun mit der Präsentation seiner überwiegend kleinformatigen Bilder darauf. Meist klappt das gut, etwa im Dialog mit Fred Thieler und Matschinsky-Denninghoff. Neben den Gemälden von Peter Brüning und K.O. Götz wirken die Bilder von Meyer allerdings ein wenig illustrierend. Deutlich wird aber auch ein wesentlicher Unterschied zu dieser frühen abstrakten Malerei: Jürgen Meyer verweigert sich einer Geste und einer artistischen Handschrift des Spontanen, vielmehr praktiziert er eine Haltung im Umgang der Malerei, der es um das Ergebnis – ihrer Präsenz, ihren Phänomenen, ihrer Erscheinung – geht. Der Maler tritt in den Hintergrund. In Witten hat er eine hervorragende Ausstellung inszeniert.
„Jürgen Meyer – Malerei“ | bis 29.1. | Märkisches Museum Witten | www.kulturforum-witten.de
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