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Viele „Balls“ – viel Testosteron
Foto: Diana Küster

Heteros & Bierstinker

30. Juni 2011

„Balls – Fußball ist unser Leben“ in der Casa - Theater Ruhr 07/11

Bloß nicht noch eines dieser bemüht rührseligen Fußballstücke mit alten Anekdoten über Kickerlegenden. Zunächst scheint es einer dieser Abende zu werden. Marc-Oliver Krampe lässt auf der kleinen „Casa“-Bühne des Essener Schauspiels die junge Lisa Jopt im schicken Kleidchen unter einer Weltkugel verquast pathetische Lobeshymnen auf den Ballsport anstimmen und anschließend die echten Fans auftreten: fünf Männer und zwei Frauen, die als Laiendarsteller erzählen, wie ihre Begeisterung für den Fußball einst geweckt wurde – für Borussia Mönchengladbach, für Schalke 04, vor allem aber für den Rot-Weiß Essen (RWE), dessen Glanzzeiten Ende der 1970er vorbei waren. So weit folgt Krampe als Regisseur bei „Balls – Fußball ist unser Leben“ dem gewohnten Schema – allerdings nur um eine gewisse Fallhöhe zu erreichen.

Plötzlich trifft die hässliche Realität auf die schöne Nostalgie. Lisa Jopt und Floriane Kleinpaß, die einzigen Schauspielprofis im Stück, sprechen einen fiktiven Dialog „unter Männern“, der an Primitivität und Sexismus kaum zu überbieten ist. Jetzt wird klar, wie der Haupttitel des Stücks, nämlich „Balls“, gemeint ist: nicht als Ledereier, sondern als Ursprungsort des Testosterons, das den gesamten Fußballzirkus bestimmt. Die Fans stimmen nun Gesänge an, wie sie oft im Stadion erklingen, in den Medien aber kaum erwähnt werden: die gegen Juden, Ausländer, Schwule, übelste Parolen bis hin zur „U-Bahn nach Auschwitz“ für den gegnerischen Fan. RWE-Fan Dennis Heisterkamp hat den stärksten Auftritt unter den Laiendarstellern, wenn er erzählt, wie er als Jugendlicher die Nähe zu den berüchtigten Neonazis in der RWE-Fanszene gesucht hat und selber üble Naziparolen im Stadion grölte. Dennis schaffte den Ausstieg aus der Szene, indem er jahrelang das Stadion mied.

Den dramaturgisch gelungenen Gegenpol zu den Geständnissen der früheren Hooligans liefert später Lisa Jopt, die in ihrer Rolle als ausgesprochener Nicht-Fußballfan herrlich mit kindischen Fan-Ritualen, der unglaublichen Geistlosigkeit in der Masse und der unzeitgemäßen Homophobie eines Mobs „heterosexueller Bierstinker“ abrechnet. „Balls“ ist durchaus unterhaltsam, aber auch ehrlich und richtig schön bissig.

„Balls – Fußball ist unser Leben“ I Theater Essen (Casa) I Mo 11.7. 19 Uhr | 0201 812 22 00

KARSTEN MARK

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