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Foto: Irma Flesch

Gewalt bleibt keine Lösung

01. Mai 2010

Problem Kulturvermittlung im Ruhrgebiet - Magenbitter 05/10

Zugegeben, es war damals ein schöner Ausblick über den Prater in Wien, während meine schweißnassen Hände sich an der Haltestange festklammerten. Verwitterte Holzbalken wanderten vorbei, ab und an ruckelte es merkwürdig in der Kabine. Riesenräder machen mir Angst. Genau wie riesige Kräne. Dabei gibt es dafür keinen Grund, physikalisch sind die Dinger trotz visuellem Widerspruch im Prinzip sicher. Dummerweise flog mir irgendwann in jungen Jahren auf der Bochumer Kirmes auch noch so ein Wagen von der Achterbahn vor die Füße, die Insassen überlebten wohl, wenn ich mich recht erinnere. Cranger Kirmes in Wanne-Eickel ist also nichts für mich. Dennoch käme ich nie auf die Idee, diesen Gerätschaften zur einfachen Belustigung der Menschen Gewalt anzutun.

Ganz anders findet das wohl in der Kulturmetropole Bochum statt. Unbekannte haben dort zwei der großen Figuren der Wittener Betongießerin Christel Lechner, die nur kurz auf dem Dr. Ruer-Platz standen, zerstört. Handelt es sich dabei um Vandalismus oder Sachverstand? Im Internet sind sich die Stammtisch-Blogger, die ihren Senf zu jedem Mist aus der Tube drücken, einig: Gesocks, Vandalen, Idioten. Strafmaß: Köpfe abhauen, Arbeitslager und so weiter. Kann es sein, dass die Menschen, die Betongießfiguren Gewalt antun, Angst vor ihnen haben? Bei Kunstwerken könnte ich das noch verstehen, aber bei diesem harmlosen Gartenzwergersatz, der auch noch von der städtischen Marketinggesellschaft finanziert wurde, nicht. Hier soll lediglich das Einerlei mit Einerlei dekoriert werden, quasi ganzjährige Osterhasen- oder Weihnachtsmännerbeschau. Zu mehr reicht es im Jubeljahr nicht mehr und spiegelt damit das Desaster einer ganzen Region. Ob der Bürger will oder nicht, mit seinem Geld veranstalten Politiker, was sie wollen. Dabei fehlt es in Bezug auf kulturelle Aktivitäten heute meist am Sachverstand und an gesundem Kampfgeist. Anders als bei den ollen Vandalen aus grauer Vorzeit.

Das war in Bochum einmal ganz anders. Da wurde international renommierte Kunst am Bahnhof eingegraben und an der Einkaufsmeile befestigt. Heute findet die ausschließlich noch in der Jahrhunderthalle statt, nennt sich Triennale und offeriert leider nur noch Theater, finanziert vom Land NRW. Im öffentlichen Raum dagegen herrschen un-artige Tristesse, Pseudodesign und Massenschund. Das ist die Krux mit der Kulturvermittlung im Ruhrgebiet. Wer immer nur Mittelmaß zu sehen kriegt, der fängt eben irgendwann an, die Dekoration zu zerstören. Und das ist dann nicht einmal ein Zeichen für Kunstverstand oder eine interessante Haltung. Das bleibt wie die Betonfigürchen und wie Stammtisch-Blogger einfach nur doof. Was hätte man mit der Kulturhauptstadt alles anfangen können ... Doch auch da gilt das Prinzip Marketing, das Kunst meidet. Eigentlich wäre es doch schön, wenn der Rest des Jahres so wäre wie der Abend damals in Grinzing beim Wein. Das reine Delirium.

Peter Ortmann

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