
Lemon Tree
D/ISR/F 2008, Laufzeit: 106 Min., FSK 6
Regie: Eran Riklis
Darsteller: Hiam Abbass, Rona Lipaz-Michael, Doron Tavory, Ali Suliman, Tarik Copty, Amos Lavi, Smadar Yaaron, Amnon Wolf, Ayelet Robinson, Danny Leshman
Ein Zitronenhain, die einzige Einnahmequelle einer in der West Bank lebenden, verwitweten Palästinenserin soll enteignet werden, weil der angeblich ein Sicherheitsrisiko für ihren neuen Nachbarn, den israelischen Verteidigungsminister, darstellt.
„Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühen?“ – Nein, das ist keine Textzeile aus einem Fernweh-Schlager der 60er Jahre, sondern der Anfang eines Gedichtes aus Goethes Werther. Und genau wie bei ihm steht auch hier der Zitronenhain symbolisch für die Sehnsucht nach Liebe, Heimat und Frieden. Frieden herrscht schon lange nicht mehr im Lande, aber wenigstens eine Heimat hat die verwitwete Selma im von ihrem Vater vor 50 Jahren angepflanzten Zitronenhain gefunden. Nun soll sie durch eine Entscheidung des israelischen Geheimdienstes ihres Lebensunterhaltes beraubt werden und mit einer Abfindung abgespeist werden. Man befürchtet nämlich, dass Terroristen die Bäume als Deckung nutzen könnten, um sich unbemerkt dem Haus des nebenan eingezogenen Verteidigungsministers zu nähern. Hat man diese „dramaturgische Kröte“ – welcher Minister würde schon in ein dermaßen gefährdetes Haus ziehen? – erst einmal geschluckt, entwickelt sich ein zugleich absurdes, wie berührendes und auch erschreckendes Spiel um politische Macht und die Ohnmacht des Einzelnen. Denn Selma muss plötzlich nicht nur vor den obersten israelischen Gerichtshof ziehen, um Recht zu bekommen, sondern auch gegen die Ignoranz und Heuchelei ihrer eigenen Landsleute ankämpfen, die sie nicht nur im Stich lassen, sondern ihr auch die sich anbahnende Liebesbeziehung zu ihrem jungen, palästinensischen Anwalt verbieten wollen. Verständnis erntet sie nur von dem naiven, jungen israelischen Wachturm-Soldaten und allmählich auch von der Frau des Verteidigungsministers. Die reflektiert plötzlich Ehe und Politik und entdeckt ihre Gemeinsamkeiten mit dem Schicksal von Selma.
Regisseur Eran Riklis, der schon in seinem vielfach preisgekrönten Film „Die syrische Braut“ die israelische Politik mit all ihren bürokratischen Folgen in den von ihnen besetzten Gebieten aufgezeigt hatte, nimmt auch hier ein individuelles Schicksal zum Anlass, um die Ausmaße struktureller Gewalt zu verdeutlichen. Unterstützt von dem Schweizer Kameramann Rainer Klausmann, der bereits für Fatih Akins „Gegen die Wand“ verstörend schöne Bilder fand, hat er auch hier eine trügerisch friedliche Atmosphäre geschaffen, in der bald Willkür und absurdes Handeln die Oberhand gewinnen. Das gebiert trotz aller Tragik auch manch bizarre Komik in den zwischenmenschlichen Beziehungen auf beiden Seiten. Und der sich bald zum Medienereignis auswachsende Prozess Selmas gegen den israelischen Staat bekommt jenen zwischen Karikatur und Ernst angesiedelten David-gegen-Goliath-Touch. Vor allem aber berührt der Film, dessen Inszenierung insgesamt leider nicht die Kraft der „Syrischen Braut“ erreicht, durch das authentische Spiel von Hiam Abbass als Selma und Rona Lipaz-Michael als Ministergattin.
(Rolf-Ruediger Hamacher)
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