Große Hollywoodlegenden wie Marilyn Monroe oder Gary Cooper laufen lachend auf die Kamera zu, um einem hübsch verpackte Geschenke entgegenzustrecken. Eine junge Frau interviewt Opas, die vermeintlich komische Weisheiten von sich geben. Auf spiegelglatten Straßen rutschen Laster in Leitplanken und stehende Pkw. So geht es zu im Internet und speziell in den sozialen Medien. Die Anzahl dieser KI-Filme und -Animationen, die den Betrachter sogar dazu ermuntern, alte Familienbilder hochzuladen, damit die Verwandtschaft von damals nochmal zum „Leben“ erweckt wird und sich „bewegt“, nimmt rapide zu und verdrängt die alten Schnipsel aus Filmen, Serien oder selbstgefilmten Videos.
Gleichzeitig misst die deutsche Streaming-Serie „Maxton Hall“ hierzulande bis zu vier Millionen Abrufe und zieht weltweit das Publikum von Amazon Prime in ihren Bann. Auf der anderen Seite kommt der für Netflix gedrehte „Knives Out“-Ableger „Wake Up Dead Man“ im Kino auf eine fünfstellige Besucherzahl, die letztlich nur dazu da ist, noch ein paar Zusatzeinkünfte abzufischen. Und wer gerade durch die Stadt tapst, sieht, dass an den Haltestellen der Busse und U-Bahnen keine Papierplakate mehr hängen, sondern Displays Werbefilmchen zeigen.
Wo sich alles bewegt und immer mehr Technik die Unterhaltung übernimmt, stellt sich die Frage: Was macht jetzt das Kino? Wozu brauchen wir es?
Das Kino ist und bleibt ein geschützter Raum, der im Gegensatz zu den kleinen und großen Displays auf Smartphones oder Fernsehern eben nicht alles zeigt und uns rund um die Uhr verfolgt. Smartphones zeigen auch schlimme Nachrichten an, stellen Rechnungen zu, überrumpeln mit Apps, sind Wecker, Tracker und Zahlungsmittel. Das Fernsehen bringt Nachrichten, Talkshows und viele Inhalte, die zum Informieren, aber nicht zum Liebhaben da sind.
Im Kino aber läuft „nur“ der Film. Das Kino wird den Teufel tun, die Nervosität der News von der Straße auf die Leinwand zu lassen. Es entlässt einen nach zwei Stunden, in denen man sich ganz auf eine Geschichte und ein paar Menschen konzentrieren kann, wieder hinaus in die Hektik-tok-Welt. Vor allem zieht es aus den Besucherzahlen nur einen Schluss – oder allenfalls zwei. Waren viele Leute da, bleibt der Film im Programm – und man ordert einen ähnlichen fürs nächste Jahr vielleicht. Waren wenig Leute da, bestellt man für die nächste Woche einen anderen Film. Kein „Bleiben Sie jetzt weiter im Kino, um den nächsten Teil zu sehen“, kein „Anderen Besuchern gefiel auch folgendes“, kein Tracken und Tricksen, kein Agieren und Benutzen. Nur ein Sitz für zwei Stunden, ein Film dazu, die Mühe von Menschen, die wollten, dass Sie genau diesen Film sehen und sich an ihm erfreuen. Die große Freiheit.
Echt. Kino.
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