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Rüdiger Schmidt-Sodingen

Mikrodramen vs. Spielfilm

28. Mai 2025

Was können Kinos gegen die Schnipselflut tun? – Vorspann 06/25

Die neuesten Zahlen der FFA-Studie Kinogänger:innen 2024 zeigen unter anderem, dass hierzulande nur noch 29 Prozent der Bevölkerung ins Kino gehen. Ein Minus von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig ist die Nutzung von Bewegtinhalten so hoch wie nie zuvor. Nicht nur auf Smartphones, Tablets, Computern und Fernsehgeräten bewegen sich Menschen, Schriften und Computerbilder von früh bis spät. Auch auf Info- und Werbe-Displays in Restaurants, Bahnhöfen und Geschäften wackelt es ununterbrochen.

Die Website Daily Grindhouse verkündete Mitte Mai, das Exploitationkino der Gegenwart passiere in Mikrodramen. Also in verrückten Ein-Minuten-Filmen, die sich durch die sozialen Medien fressen und ihre Nutzer süchtig machen. „Genau wie Kultfilme“ sorgten diese Mikrodramen mit ihren schrägen Geschichten, Typen und Effekten für „ungewolltes Lachen und puren Unglauben“. „Sie sind weder prätentiös noch perfekt. Wie die besten Kultfilme machen sie gerade deshalb Spaß, weil sie nicht geschliffen sind.“

Die Geschichten seien „rasant und brechen dabei so ziemlich jede Regel des modernen Kinos in Sachen Erzählkunst und Tempo“. Guter Geschmack spiele dabei keine Rolle, im Gegenteil. Gerade in ihrer Lust am Witz und am Unvorhergesehenen kitzelten sie eine ursprüngliche Zuschauerlust. Es seien die „rohen, ungefilterten Emotionen, die ankommen“. In einer einzigen Mikrodrama-Episode passiere „mehr als in ganzen 90-minütigen Spielfilmen. Action, Drama, Konflikte und Charakterbögen wechseln wild und in einem rasanten Tempo.“

Ersticken wir also in einer Schnipselwelt, die nur noch wahnsinnige Sketche und Unfälle kennt, die das an und für sich alte Unterhaltungsprinzip der „Pleiten, Pech und Pannen“- und „Sketchparade“-Shows nun demokratisiert, weil jeder jede Minute „Content“ hochladen, nutzen, kommentieren und weiterwischen kann – bis zum nächsten „crazy shit“ mit irgendwelchen Zombieüberfällen, Polizeikontrollen, Beziehungswitzen?

Das Kino lebt davon, einen zwei Stunden in den Bann und in eine Geschichte zu ziehen. Und es tut gut daran, nicht so nervös zu werden wie der überwiegende Teil der Bevölkerung. Gegen die „Reels“ und „Shorts“ und Mikrodramen, die bei manchen schon vor dem Frühstück übers Handy laufen und mit denen manche buchstäblich einschlafen, hilft nur das, was man früher auch im Kinobereich einmal „Showmanship“ nannte.

Kinos sollten selbstbewusster denn je ihre Inhalte vorzeigen, wieder besser in der Werbung werden und wieder mehr an einzelne Filme glauben, statt immer kompliziertere Programme zu machen. Wenn sich ein Teil der GenZ bereits bewusst gegen den Handykonsum im Bus entscheidet, schlägt die Stunde der Kinos, die mit großen Plakaten und Buchstaben wieder für Inhalte werben, die sich nicht so einfach wegwischen lassen und es genau deshalb mit den nicht enden wollenden Ulkparaden des Internets aufnehmen können.

Rüdiger Schmidt-Sodingen

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