Die Vollbremsung des Bochumer Endstation Kinos im Bahnhof Langendreer ist ein Alarmzeichen. Denn es geht nicht nur darum, als kleines Einzelkino kein tägliches Programm mehr anbieten zu können, das sich halbwegs rechnet. Es geht auch um die Programmstrukturen der Kinos, die immer verästelter und komplexer werden, dass sie selbst Kinogänger kaum mehr durchschauen können.
Dass Filme jedweder Couleur nicht nur Platz, sondern auch Zeit oder mehr Zeiten brauchen, ist eine Binsenweisheit. Dass aber auch die Arthouse-Kinos immer nervöser werden, wenn ein Film nicht sofort funktioniert und sich dann lieber in die „Barbie“- und „Oppenheimer“-Schlange stellen, die angeblich alternativlos war oder ist, kann nicht des Rätsels Lösung sein.
Filme müssen gelebt werden – das bedeutet: Sie müssen tatsächlich mehrere Tage zu mehreren Vorstellungen in einem Kino angeboten werden. Das Schienenspiel, das in den Programmkinos erfunden wurde, hat mittlerweile solche Ausmaße angenommen, dass Kinos zu „Wir zeigen alles“-Betrieben geworden sind, zu Gemischtwarenläden, die mit computeroptimierten Programmen wahnwitzige Anfangszeiten nennen (16.05 oder 19.55 Uhr) oder Filme allzu schnell in Mittags- oder Nachmittagsschienen oder Einzelvorstellungen am Dienstag packen.
So sind die durchschnittlichen Besucherzahlen eines Films pro Kino mittlerweile auf magere 30 oder 40 Zuschauer pro Tag geschrumpft. Das ist natürlich nicht zufriedenstellend. So wird der gebuchte Film dann nochmal auf weniger Vorstellungen reduziert oder gleich ein neuer Film bestellt, den dann das gleiche Schicksal ereilt.
Mittlerweile beeinflusst diese magere Ausbeute auch das Verleihprogramm. Selbst einige große Verleiher sind dazu übergegangen, ihre „kleinen“ Filme gar nicht mehr zu synchronisieren, sondern nur noch mit Untertiteln in die Kinos zu schicken. Auch wenn Originalfassungen mit Untertiteln unter Cineasten immer beliebter werden, darf man nicht vergessen, dass deutsche Synchronfassungen maßgeblich dazu beitragen, einen Film mittelfristig, also vor allem im „Home Entertainment“, einem breiteren Publikum bekannt zu machen – was dann neue Namen etablieren und deren nächste Kinostarts anschieben kann. Dass dieser Effekt bei untertitelten Filmen ausbleibt, verkleinert die Bedeutung klassischer Kinofilme noch einmal erheblich.
Was also tun? Es braucht Mut. Mut, zu sagen: Ich spiele jetzt „Liebesbriefe aus Nizza“, „Longlegs“ oder „Kinds of Kindness“ auch in der dritten, vierten und fünften Woche jeden Tag um 19 oder 20 Uhr, um eben doch einen lokalen Hype auszulösen und diesen Film als Kino-Film und persönlichen Kino-Hit zu „leben“.
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