Normalerweise würde ich hier an dieser Stelle Lust auf den Kinomonat November wecken, der im Ruhrgebiet schon lange in der Hand der Filmfestivals liegt. Festivals, die uns jenseits der Bundesstartsandere Blicke ermöglichen, wie beispielsweise die Duisburger Filmwoche, die mittlerweile seit Jahrzehnten eine feste Institution für den Dokumentarfilm ist (3. - 9.11.). Oder auch das Doxs Ruhr, das noch bis zum 9. November ein für Kinder und Jugendliche kuratiertes Programm dokumentarischer Formen an verschiedenen Spielorten im Ruhrgebiet zeigt.
Doch unsere Zeiten sind nicht mehr „normal“. Sie werden von Jahr zu Jahr aufgeheizter, die Empörungskultur wächst, die Demokratie ist stärker denn je unter Beschuss und unsere Gesellschaft leider immer polarisierter. Da kommen Kunst und Kultur eigentlich wichtige Aufgaben zu. Sie sind dafür da, Raum für den Diskurs zu schaffen, einen anderen Blick zu eröffnen und Gedankenexperimente zu wagen. Sie sind es, die Gedanken- und Meinungskorridore weiten und Menschen miteinander ins Gespräch bringen können. Doch leider zeichnet sich seit Jahren immer stärker der Trend ab, die Kulturszene durch Kürzungen der Kulturausgaben auf Bundes- wie auf Landesebene massiv zu schwächen. Allein zwischen 2023 und 2025 wurde der Kulturetat von NRW um knapp 4 Prozent gekürzt, 2026 soll er noch um 8,5 Millionen Euro sinken. So brechen immer mehr Förderarchitekturen zusammen, die sich über Jahrzehnte aufgebaut haben, und ganze Kulturorte geraten in Gefahr.
Das musste in den letzten Monaten auch das renommierte Blicke Filmfestival im Bochumer Endstation Kino erfahren. Als „Filmfestival des Ruhrgebiets“ bietet das Festival seit über 30 Jahren Filmen mit lokalem Bezug zum Ruhrgebiet ein Zuhause; es gilt als wichtiges Forum und Förderer regionaler Filmemacher:innen. Doch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft zog den Stecker und strich die kompletten Fördergelder, wodurch das Festival vor dem Aus stand. In diesem Jahr kann es nicht mehr im gewohnten Format stattfinden – dennoch stemmt sich das Festival gegen den kulturellen Kahlschlag und präsentiert am 14. November eine besondere Ausgabe mit einem Blick zurück auf 33 Jahre Festivalgeschichte im Endstation Kino. Am Folgetag tritt es aus der gewohnten Kinokulisse heraus und zeigt in der Bochumer Innenstadt mit bewegten Bildern Präsenz.
In Zeiten, in denen unsere liberale Gesellschaft angreifbarer ist denn je, sind die Kürzungen an der Kultur Gift für unsere pluralistische Gesellschaft und damit gleichzeitig Wasser auf die Mühlen all der antidemokratischen und menschenverachtenden Kräfte von rechts außen, die leider nicht erst seit der letzten Kommunalwahl in NRW immer mehr Oberwasser bekommen. Denn eines ist schon jetzt klar – auch wenn die derzeitigen Regierenden den Wert von Kunst und Kultur anscheinend nicht erkennen und glauben, dass man an diesem „Luxus“ getrost den Rotstift ansetzen kann: Es stehen Akteurebereit, die um die gesellschaftliche Wirkung von Kultur ganz genau wissen – und bereits dabei sind, alles, was unter dem Verdacht steht, bunt, queer und multikulturell zu sein, systematisch zu schwächen.
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