Kino war schon immer das Versprechen, für den Preis einer Eintrittskarte in ferne Welten reisen zu können, ob in den goldenen 1920er Jahren zur Hochphase des Exotismus oder in den 1950er Jahren, als die heile Welt des Heimatfilms ein bisschen Kontrast zu den Entbehrungen der frühen Nachkriegszeitbot. Wer ins Kino geht, will oft weit weg und an andere Orte oder in andere Zeiten reisen. Und manchmal sind es gerade die alten Filme, die Klassiker und Kultfilme, mit denen man am weitesten reist. Sie zeigen nicht nur vergangene Zeiten, sondern auch, wie wir damals geschaut haben, was uns bewegt hat und wovon wir vielleicht geträumt haben. So sind viele Filmklassiker mehr als nur Geschichten von früher: Sie sind Erinnerungsräume, kollektives Gedächtnis – und werden traditionell im Sommer besonders präsent, wenn die vielen Open Air-Kinos entlang der Ruhr nicht nur die beliebtesten Filme der letzten Monate in ihren Programmen haben, sondern eben auch die vielen Klassiker.
Den Anfang macht niemand anderes als Charlie Chaplin. Das Open Air-Kino in Duisburg zeigt „Moderne Zeiten“ von 1936 mit einem Livekonzert der Duisburger Philharmoniker in derwunderschönen Industriekulisse des Landschaftsparks Nord (21.-23.8). Weiter geht‘s drinnen in der Cineworld Recklinghausen mit Hitchcocks surrealistischem Kriminalfilm „Vertigo“ von 1958 um einen Ex-Polizisten mit Höhenangst(31.8.). Dann wird‘s langsam aber sicher immer gruseliger, wenn die Reihe Best of Cinema am 5.August in ausgesuchten Kinos Spielbergs „Der weiße Hai“ zeigt und im Apollo Gelsenkirchen am 24. August mit „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ die 1970er Jahre in düsterem, venezianischem Gewand wiederkehren. Mit einem kleinen Zeitsprung geht‘s in den 1990er Jahre weiter. Am 7. August zeigt das Filmforum Duisburg mit „La Haine“ ein wichtiges Stück französisches Sozialkino über 24 Stunden im Alltag dreier Jugendlicher im französischen Ghetto. Und wer noch einmal in die 1990er Jahre des Ruhrpotts gucken mag, dem sei Peter Thorwarths Ruhrpottklamotte „Bang Boom Bang“ empfohlen, die gleich mehrere Open Air-Kinos zeigen.
Weiterhin sind Filme zu sehen, die vor allem von ihrer Musik leben: Beispielsweise das Biopic „Bohemian Rhapsody“ im Open Air der Lichtburg Essen, das Queen und ihren charismatischen Sänger Freddie Mercury effektvoll und dramatisch aufleben lässt (29.8.). Musik und Film hatten schon immer das Potential für eine symbiotische Beziehung – das zeigt sich auchin „Grease“ und seiner Rock ‘n‘ Roll-Attitüde im Essener Autokino (5.8.) oder in „Singin‘ in the Rain“ und Gene Kellys unvergesslicher Tanzszene in der Cineworld Recklinghausen (10.8.). Etwas moderner wird es mit „Moonage Daydream“ im Metroplis Bochum, der sich dem Phänomen David Bowie statt in einer chronologischen Erzählung assoziativ nähert (27.8.). So wird das Sommerkino an der Ruhr nicht nur zur Leinwand für große Geschichten und Persönlichkeiten, sondern auch zu einem lebendigen Archiv unserer gemeinsamen Film- und Erinnerungskultur.
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