Ein Zitat, das Dominic Kloos an diesem Abend vorliest, drückt die neue Lage ziemlich perfide, aber treffend aus: „Ich finde es absolut richtig, dass wir in einer so außergewöhnlichen Situation, wo wir gar nicht genügend Hilfe bekommen können, um das Leiden der Menschen zu beenden, um die illegale Migration, an der die Schlepper verdienen, zu beenden, und vor allen Dingen, um Ordnung in dieser Region zu schaffen, dass wir alle unsere gemeinsamen Instrumente nutzen. Und dazu gehört die EU, aber eben auch die NATO.“ Das sagte jüngst Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Die Phänomene Waffenhandel und Militarisierung spiegeln sich auch in der so oft diskutierten „Flüchtlingskrise“ wider. Damit Geflüchtete gar nicht erst in die EU kommen, würden Waffen und anderes Know-how an geostrategische Bündnispartner geliefert. „An Gaddafi wurde nicht nur exportiert, sondern auch geschult, wie sie Flüchtlinge abwehren können“ so Dominic Kloos. Aktuell geschehe Ähnliches beim Deal mit der Türkei.
Dominic Kloos ist Geschäftsführer des „Ökumenischen Netztes“, das aktuell die Kampagne „Aktion Aufschrei. Stoppt den Waffenhandel“ unterstützt. Im Bahnhof Langendreer referierte er über die Hintergründe deutscher Waffenexporte.
Der tödliche Handel in Zahlen
Seit 2002 stiegen die Exporte der Rüstungsindustrie an. Von 2000 bis 2010 haben sich die Exporte verdoppelt. Zwar gebe es Fluktuationen, so sei Deutschlands Marktanteil beim Waffenhandel leicht hinter China und Russland zurückgefallen. „Wenn man aber die längere Zeit anguckt, geht die Bilanz steil nach oben“, sagt Kloos. „Traditionelle Lieferbeziehungen lösen sich auf. Dreiviertel der Exporte gehen weltweit an sogenannte Drittstaaten.“ Das heißt, die Waren gehen an Entwicklungs- und Schwellenländer oder Ölstaaten, vor allem auch in den Nahen Osten. „Die alten Sachen werden vertickt, um neue Sachen, die auf dem höchsten technologischen Stand sind, zu kaufen.“
Ein „Renner“ sind dabei Kleinwaffen – 90 Prozent der Menschen sind Opfer dieser Schusswaffen. „Die tödlichsten Massenvernichtungswaffen sind Gewehre“, so der Experte. Eine Folge seien nicht zuletzt auch die vielen Kindersoldaten.
Neuer globaler Militarismus
Dabei gehe es nicht nur um Waffenexporte, Kloos bezieht sich auf den Ökonomen Robert Kurz und spricht von einer „globalen Militarisierung“. Der „Weltordnungskrieg“ (Kurz) führe zu einer Verstärkung bestehender Konflikte – selbst dann, wenn die Waffen nicht eingesetzt werden, fehlen durch die Militärausgaben Gelder für Soziales. Zu dieser „neuen“ Weltordnung gehören auch das zunehmende Werben des Militärs an Schulen. Der Kern dieser Entwicklung ist für den Referenten vor allem ein ökonomischer: Aufgrund eines zunehmend zu beobachtenden Wegfalls der Arbeit als schöpfende Wertmasse kämpfe der „Krisenkapitalismus“ mit neuen Profitmöglichkeiten. Der schlanke Staat komme (vor allem in Krisen- und Armutsregionen) kaum noch den sozialen Aufgaben nach – durch Waffenexporte werden aktuell nicht nur irrationale Gewinn erzielt, sondern auch Krisen „gelöst“. Der neue, globale Militarismus ist eine Begleiterscheinung. Und dieser stehe in engem Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen System: „Nur wenn damit gebrochen wird, dann könnten wir zu einer friedlichen Gesellschaft kommen.“
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