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Differenzierte Betrachtungen: Autor Olaf Sundermeyer.
Foto: Dawid Kasprowicz

Der Feind im eigenen Block

20. Dezember 2012

Der Autor und Rechte-Szene-Kenner Olaf Sundermeyer über rechte Gewalt und ihre Nähe zum Fußball - Lesung 12/12

Sie heißen „Desperados“, „The Unity“ oder „Borussen-Front“ – Fangruppierungen des Fußball-Bundeligisten Borussia Dortmund, deren Mitglieder häufig als Ultras bezeichnet werden. Dass sich unter den Ultras leider auch einige mit einer politisch rechtsradikalen Einstellung finden lassen, ist inzwischen mehrfach durch die Medien gegangen. Dass es aber innerhalb der Ultra-Szene eine Unterwanderung von Rechts gibt, mochte man lange Zeit nicht im Vorstand des BVB glauben.

Olaf Sundermeyer ist gebürtiger Dortmunder, lebt heute in Brandenburg und war Dauergast auf der Südtribüne – dieser weltweit bekannten Stehplatztribüne, auf der sich der harte Kern der Schwarz-Gelben einfindet. Der Autor und Journalist verfolgt seit Jahren die Entwicklung rechtsextremer Gruppierungen in Deutschland und hat 2012 mit „Rechter Terror aus Deutschland – Eine Geschichte der Gewalt“ sein viertes Buch herausgebracht. Am Dienstagabend las er aus seinen Reportagen über die rechte Szene in Ost- und Westdeutschland.

Was er bei seinen Recherchen erfährt, möchten nicht viele Anhänger der Borussia hören. Häufig wurde er von anderen Fans als „Verräter“ beschuldigt, sagt Sundermeyer. Doch die Zunahme an Gewaltakten unter „Fußball-Fans“, die mit dem neuen Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL) zurückgehen sollen, hängt für ihn mit der Unterwanderung von Rechts zusammen. Im Falle des BVB habe man diese Entwicklung nicht bemerkt: „Bei seinem Aufstieg in den letzten acht Jahren hat der Verein den Fan-Block aus den Augen verloren“, sagt Sundermeyer.

Er liest bedächtig, achtet darauf, bei seinen Reportagen nicht zu emphatisch vorzutragen. Rechtsextreme Gewalt wird selten differenziert betrachtet. Seit dem Herbst 2011, als die Morde der Zwickauer Zelle aufgedeckt wurden, steht es fast täglich auf der öffentlichen Agenda. Sundermeyers Auszüge aus seinem Buch vermitteln nicht den Eindruck, dass hier jemand die aktuelle Chance ergreift und den Szene-Einblick gegen bare Münze eintauschen will. Acht Monate begleitete er Ihsan Yurtseven. Yurtseven ist jener Duisburger, der 2003 einen Mordanschlag überlebte, der als versuchter „Döner-Mord“ durch die Boulevardblätter ging. Erst seitdem die Mordserie des Zwickauer Trios aufgedeckt wurde, sei ziemlich sicher, dass Yurtseven das elfte Opfer sein sollte. Um dies zu verifizieren, fehlten der Duisburger Polizei heute die Beweismaterialien, berichtet der Wahl-Brandenburger.

Bezüglich politischer Allheilmittel gegen rechte Gewalt zeigt sich Sundermeyer skeptisch. Auf Rückfrage aus dem Publikum bezieht er klar Position gegen ein NPD-Verbot. Neo-Nazis im Westen seien vor allem darin trainiert, sich unerkannt im Untergrund bewegen zu können. Ein Parteienverbot würde die Szene seiner Meinung nach nur über den juristischen Umweg anschieben. Zunächst müsse für die Verbreitung rechtsradikaler Gesinnungen Sensibilität und Wachsamkeit geschaffen werden – auch in den geliebten (eigenen) Stadien. Denn, so Sundermeyer: „Der Fußball ist neben dem Internet die mächtigste Rekrutierungsfläche für Neo-Nazis.“ Diese Aussage ließe sich auch auf sämtliche Fußballligen beziehen.

Dawid Kasprowicz

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