Die Schlammschlacht um das Präsidentenamt fand nicht statt. Stattdessen stand bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung des 1. FC Köln kölsche Harmonie auf dem Programm. Nicht einmal zu einer echten Kampfabstimmung kam es. Und so sind sie nun mit einem 90%-Wahlergebnis in Amt und Würden: Wackelkandidat und „FC-Legende“ Harald Schumacher als Vizepräsident und der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Markus Ritterbach, als dritter Vorstand. Zwar nicht gewählt, aber als Messiasfigur unverzichtbar: Interimstrainer Frank Schäfer. Schäfer konnte auf der Versammlung sagen, was er wollte, das Publikum antwortete mit frenetischem Jubel und tosendem Beifall. Hätte er beantragt, den 1.FC Köln aufzulösen und in der Oppositionsgruppe FC:Reloaded aufgehen zu lassen, ihm wäre eine überwältigende Mehrheit sicher gewesen. Hätte er die Mitglieder aufgefordert, sich alkoholfreies Alt einzuflößen und zu Fuß nach Düsseldorf zu gehen, sie hätten auch das getan.
Folgt man weiter den Live-Tickern, Videoclips und Kommentaren in Medien und Fanforen, muss es ein typischer Köln-Abend mit viel Gesang in der Deutzer Arena gewesen sein. Nur Bier trinken durften die mehr als 4000 anwesenden Jecken, pardon, Mitglieder, erst nach der Wahl. So hatte die Veranstaltung etwas von der selbstbesoffenen kölschen FC-Glücksseligkeit der 80er-Jahre. Da sollte sich niemand wundern, wenn demnächst rund um das Geißbockheim auch wieder Vokuhilas und Operlippenbärte wachsen. Und der Schnäuzerkowski aus dem Hänneschen-Theater Greenkeeper im Stadion wird.
Was dem FC-Fan nun noch fehlt, ist eine „richtig geile Truppe“ auf dem Platz – wie in den 80ern, als Geils, Geilenkirchen und Geilchen für den FC spielten. Okay, letzterer heißt in Wirklichkeit Gielchen, und zugegeben, dieser Kalauer lagerte seit mindestens 10 Jahren auf Notizzetteln und Festplatten und wartete nur auf den richtigen Zeitpunkt, um herausgelassen zu werden. (Nachnamenswitze um den neuen FC-Vorstandschef Werner Spinner verbieten sich ja von selbst, da sie viel zu einfach und billig wären. Ob sich Fans und Presse daran auch im Falle eines Misserfolgs halten, bleibt indes abzuwarten.)
Bestimmt würden die drei Ex-Profis auch einen geilen Vorstand abgegeben. Schließlich haben sie das historisch-nostalgische Moment auf ihrer Seite, das bei FC-Fans immer noch weit größeres Gewicht hat als die (er)nüchtern(d)en Fakten der Gegenwart: Alle drei standen in der Startaufstellung beim letzten großen internationalen FC-Erfolg, dem 2:0-Sieg gegen Real Madrid im Rückspiel des Uefa-Cup-Finales 1986! Und Geilenkirchen erzielte gar den Treffer zum 2:0! Geil, geil, g… nun ja, das Hinspiel hatte der FC leider schon mit 1:5 verloren.
Wie belastbar die aktuelle Hochstimmung im Verein nach der Präsidentenwahl ist, dürfte sich rasch erweisen. Zum Beispiel, wenn es trotz Trainergott Schäfer nun doch zum fünften Bundesliga-Abstieg kommen sollte, und das schlimmstenfalls nach einer verlorenen Relegation gegen Fortuna Düsseldorf. Dann müssen Geils & Co. den Laden einfach übernehmen.
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