Die Kunst von Edith Dekyndt ist nichts für den schnellen Blick. Man sollte sich Zeit nehmen und sich vergegenwärtigen, wo man sich befindet und wie sich ihre Werke – auf dem Boden, auf Sockeln, an der Wand, sogar schwebend im Raum – dort verhalten. Die Kunsthalle Bielefeld präsentiert jetzt rund 60 ihrer Werke und vielleicht versteht sich sowieso alles als eine zusammenhängende Installation, die auf die Institution mit ihrer Architektur und Geschichte, ihre Aufgaben und ihren Ort reagiert. Auch die Besuchenden sind mitsamt den Luftströmen, die sie verursachen, einbezogen. Sie versetzen die Vorhänge leicht in Bewegung, die hierzu mitten im Ausstellungsraum hängen. Indem dadurch die Fenster freigelegt sowie Holzstücke von draußen nach drinnen gebracht sind und Moos mit Wasser aus der Lutter gegossen werden soll, interagieren innen und außen. Unmerklich wechseln beim Durchschreiten die Farben der Exponate vom Grün der Natur zum hellen Blau des Himmels.
Edith Dekyndt (*1960 in Ypern/Belgien) erzeugt poetische Reflexionen über elementare Phänomene unserer Welt. Sie setzt in ihrem multimedialen Werk, das auch 3D-Drucke, Videos und Performances umfasst, natürliche Materialien physikalischen und chemischen Prozessen und damit der Veränderung aus. Sie legt Kreatürliches frei und widmet sich übersehenen Substanzen, Staub etwa, den sie auf dem Boden beleuchtet. Sie nimmt sorgsame Abformungen von Holzstücken mit den Händen und Fingern vor. Sie zerlegt textile Stoffe, die sie teils in Bielefeld selbst aufgefunden hat. Auch verwendet sie einen Bodenbelag, der mit seiner kantig zugeschnittenen Form noch aus der Ausstellung von Simon Fujiwara stammt, als Auflagefläche für eine raumgreifende Glaspassage, in der als Erinnerung an eine Performance rote Speise-Spuren zu sehen sind. Überhaupt ist manches so subtil, dass es wichtig ist, die Materialbeschreibungen auf den Werktiteln zu lesen. Aber alles wird hier zu respektvollen Setzungen in kritischen, geopolitisch instabilen Zeiten: als Aufmerksamkeit gegenüber der Natur und den beiläufigen Dingen, und zwar im fürsorglichen Umgang miteinander.
Edith Dekyndt | bis 26.10. | Kunsthalle Bielefeld | 0521 32 99 95 00
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