Hitze total: Der dritte Tag des Bochumer Innenstadt-Festivals wartete mit Höchsttemperaturen auf und natürlich auch musikalischen Highlights: Vom stadionreifen Pathos der Rockband Blackout Problems über gesellschaftstauglichen HardRock von ThreeCordSociety bis zu melancholischen Hits über die Problemchen der Jugend von Nisso, bot sich auf fünf Bühnen und zahlreichen Nebenschauplätzen in den Kneipen des Bermuda-Dreiecks ein abwechslungsreiches musikalisches Potpourri. Dabei gelingt dem Festival eine schwierige Gratwanderung: Die breite Masse anzusprechen und trotzdem musikalische Vielfalt zu bieten, gerne auch etwas spezieller.
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Das funktioniert. Und zwar gerade deshalb, weil sich zwischen den massentauglichen Bands auch das ein oder andere musikalische trojanische Pferd ins Programm geschlichen hat. Zum Beispiel die Rosenheimer Ska-Band Django oder Rapper Karate Andi. Letzterer überzeugte in seiner Performance mit sympathischer Verpeiltheit und gefühlt nach jedem zweiten Song einsetzenden „Bierpausen“. Keine schlechte Idee, gerade bei dem Wetter, und ein schöner Anlass, beim kühlen Blonden ein paar Festivalimpressionen auf sich wirken zu lassen: Angeheiterte junge Damen in Einkaufswagen, überhitzte Besucher die keinen anderen Ausweg mehr sahen als den Kopfschuss per Wasserpistole, kuriose Kiosk-Angebote wie Vodka-Energy-Eis.
Und ein nachgestellter Stierkampf auf der Bühne – der Stier war in diesem Fall der Saxophonist von Django. „Lässig is’ es hier, lässig“, sagt Sänger Faxe in breitem bayrischen Dialekt. Der Mix aus Ska-Rhythmen, Punk-Attitüde und Metal-eskem Screaming kam gut an beim tanzfreudigen Publikum. „Wir sind zwar speziell, aber nicht schon wieder so speziell, dass es immer welche gibt, denen das gefällt“, sagt der Rosenheimer, bevor er sich verschwitzt und geschafft vom Auftritt in der Hitze wieder fleißig dem Autogramme geben widmet.
Bierpause: Die Mädels im Einkaufswagen drehen ihre zweite Runde übers Festivalgelände, Karate Andi betritt die Bühne und in der ersten Reihe meint man einen verdächtig süßlichen Geruch zu erschnüffeln. Der Duft des Sommers und so. Andi feiert am Mikrophon feierbedingte Selbstzerstörung und das leichte Leben. Dass der Berliner Rapper zu Bochum-Total eingeladen wurde, wundert ihn selber. „Aber das liegt natürlich an meiner unfassbaren Präsenz“, sagt er, mit einem frechen Grinsen auf dem losen Mundwerk. „Schreib da bitte noch hinter: Mit einem Augenzwinkern. Und dahinter: Nein doch nicht. Wieder mit Augenzwinkern“, sagt er. Mit einem Augenzwinkern.
Nächste Bierpause – und die Gelegenheit, mal abseits der großen Bühnen auf Entdeckungstour zu gehen. In einer engen Seitengasse neben der Kneipe Zacher drängt sich das Publikum um die Band Die Meiers, die mit folkigem Sound für ein entspanntes Alternativprogramm abseits des Trubels sorgen.
Wer 30 Jahre Trubel auf Bochum-Total Revue passieren lassen wollte, für den spielten Kumpels in Concert übrigens Coversongs von vergangenen Bochum-Total-Gästen – von seicht wie Revolverheld bis derb wie K.I.Z.
Viele Bierpausen später – die Sonne längst verschwunden, die Hitze lange noch nicht – rundeten Kapelle Petra den Samstag ab. Die Band aus Hamme, ausgerüstet mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und...ähm ...einem Staubsauger sangen heitere Lieder über Veganismus, Wurst und Herner Sportvereine. Mit Sicherheit das schillerndste trojanische Pferd an diesem Festivaltag. Mögen sie und ihre Artgenossen auch im nächsten Jahr das Innenstadtfestival wieder um die entscheidenden bunten Facetten bereichern.
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