Bochum Total wird in diesem Jahr 30 Jahre alt und passend dazu wartete die trailer-Wortschatzbühne am Festival-Freitag mit einer Art Best-Of-Programm auf. Die Theatergruppe Freie Radikale, das „hybride Theater der Gegenwart“ eröffnete die Bühne pünktlich um 17:45 Uhr. Die zu dritt angereisten Schauspieler boten eine Mixtur aus gesprochenem Wort und minimalen Schauspiel-Elementen. Thematisch ging es in subtiler Art und Weise um den Unsinn von kulturellen Stereotypen und den eigenen Umgang mit Ressentiments. Um mit Vorurteilen endgültig aufzuräumen, bissen die Schauspieler um Şermin Kayık einfach mal in eine Bratwurst und verteilten Antiweltdepressiva, Integrationshemmer und Co. in Form von Bonbons an ihr Publikum. Kommende Woche feiert ihre neueste Produktion „Schaf. Biene. Pferd.“ Premiere in den Rottstr5 Kunsthallen. Diesmal geht es dem Kapitalismus an den Kragen – eine mit Sicherheit ebenso kurzweilig wie tiefsinnige Gesellschaftskritik wie an diesem Freitag. Dann auch sicher mit mehr Bühnenbild und Maske.
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Ein Kerl zum Liebhaben
Nach einer spontan geplanten Capoeira-Einlage der Bochumer Gruppe Biriba Brasil in der Umbaupause schritt kein Geringerer als Dauerbrenner Marco Jonas Jahn auf die trailer-Wortschatzbühne. Der sympathische Mönchengladbacher, Jahrgang 76, immer noch wie ein Erstsemester-Student wirkend, hatte verlässlicher Weise eine Handvoll Texte parat. Ein Liebesgedicht für Dixi-Klos eröffnete den Reigen, ein Abgesang auf Zeigefinger und lehrerhaftes Verhalten der Marke „das lernst du auch noch“ folgte und brachte dem bereits zahlreich anwesenden Publikum den Spaß in die Backen. Der Ernst des Lebens kann Jahn mal gerne haben und doch holt er ihn immer wieder ein: Vor Strafzetteln für das Parken an einem Wendehammer oder Kämpfen aufs Blut mit dem guten alten Laminat sind auch Poeten der ersten Güteklasse nicht gefeit. Fast versöhnlich lies der schwarzhaarige Struwwelpeter seinen Auftritt mit einer Liebeserklärung an seine Partnerin ausklingen. Man kann ihn einfach nur gerne haben.
Während der Umbaupause parkten sich schon die ersten Fans auf den rar gesäten Bierbänken, um beim folgenden Auftritt von Ape & Feuerstein einen guten Platz zu haben. Die Auftritte der Meister des politisch-humoristischen Liedes waren bereits in den Vorjahren echte Highlights auf der trailer-Wortschatzbühne und auch am Festival-Freitag sorgten die beiden Herren aus Dortmund wieder für ein Ausrufungszeichen. Lieder wie „Politikwissenschaft“ oder „Hauptsache ist“ sind Klassiker, die der Generation „Ü50-undogmatisch links“ aus dem Herzen sprechen, aber auch junges Publikum begeistern. Auch der zuversichtliche Blick auf das Alter inklusive Ironman-Lauf und Vaterschaft mit 100 Lenzen sorgte als Abschluss für Sympathien bei Jung und Alt. Der straffe Zeitplan war letztlich daran schuld, dass Ape & Feuerstein nach nur 30 Minuten die Bühne verließen. Doch zumindest Feuerstein sollte noch einmal zurückkehren…
Um 22 Uhr betraten Dieselknecht die Bühne. Die Krautabilly-Band war schon 2011 bei Bochum Total zu Gast. Damals allerdings ohne die Unterstützung von Guntmar Feuerstein. Die nun zu einem Quintett gewachsene Band widmete sich der uramerikanischen Musik zwischen Folk, Southern-Rock und Bluegrass gemixt mit einer Prise Punkrock, was beim feierwütigen Publikum bestens anzukommen schien. In den ersten Reihen wurde getanzt und gepogt, weiter hinten geschunkelt. Dieselknecht verstanden es außerdem, ihre teils zum Trinken animierenden, teils politischen Texte unterhaltsam zu transportieren und vergaßen dabei nicht, das Publikum mit einzubeziehen. Nach einer Stunde glühten Snaredrum und Banjo und Dieselknecht entließen das Publikum mit fast leerem Tank in Richtung Festival-Samstag.
Der Freitag der trailer-Wortschatzbühne war die konsequente Steigerung zum Vortag. Ein Blick auf das Samstags-Programm verspricht ähnlich hohe Qualität.
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