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Karl Lagerfeld Selbstportrait, 2011. Aus der Serie Suite 3 Atelier Fendi. Inkjet auf Leinwand 84 × 120 cm
© 2014 Karl Lagerfeld

Alles, nur nicht retrospektiv

27. Februar 2014

Karl Lagerfeld im Museum Folkwang in Essen – kunst & gut 03/14

Da habe ich doch glatt mein Zopfband vergessen. Mist. Das einzig kleidsame für einen Mann, sagte einst Karl Lagerfeld. Dies Credo verfolgte mich mein ganzes Leben. Jetzt kann ich auch seins im Essener Folkwang Museum bewundern, was sonst, wenn man im Weltbild des Meisters der Unaufgeregtheit bleiben will. Schlichte 400 Exponate zeigt die Ausstellung „Parallele Gegensätze“. Lichte Hallen beherbergen, was Lagerfeld so umtreibt, diese Mode-Ikone des vergangenen Jahrhunderts, der sich selbst zur einfach definierten Marke stilisiert hat: Silberweißer Zopf, schwarze Sonnenbrille, gestärkter Stehkragen. Schade, dass es wohl kein gemeinsames Foto mit Andy Warhol gibt.

Die Schau beginnt mit dem, was Lagerfeld wohl am wichtigsten ist – der Bücherschrank. Kunst, Philosophie, Design. Gestapelt, sortiert, gebunden. Davor ein kleiner Schreibtisch mit Wachsmalkreide, Filzstiften und Klebesticks. Hier also kreiert der Karl. Ich hätte mir das etwas mondäner vorgestellt, wie bei seinem „Narcissus“ (2010), dem teuersten Hochsicherheitssafe (250.000 Euro) für Uhren und Schmuck der Welt, oder bei dem Steinway-Flügel „The S.L.E.D.“, im schicken Lagerfeld Corporate Design. Aber nix da, Lagerfeld bleibt Lagerfeld und eben immer nur Lagerfeld. Das war schon immer so, wie frühe Polaroids zeigen, die Portraits von Brad Kroenig.

Karl Lagerfeld A portrait of Dorian Grey 2005 Direktdruck auf Aludibond 70 x 100 cm © 2014 Karl Lagerfeld


Lagerfeld tritt als Fotograf erst in den 1980ern in Erscheinung, da war er bereits ein Vierteljahrhundert künstlerischer Direktor bei FENDI und mischte gerade den CHANEL-Konzern künstlerisch neu auf. Doch in Essen steht insbesondere sein fotografisches Werk im Vordergrund und das ist auch gut so. Seine inszenierten Bilderserien „Hommage a`Feuerbach“ (Ektachrome, 1988), „A Portrait of Dorian Gray“ (Ektachrome, 2005) oder auch die späteren „Hommage à Edward Hopper“ (Digital, 2010) können durchaus mit den Größen der Fotokunstgeschichte wie Helmut Newton oder auch eines Jeff Wall mithalten. Sicher scheinen viele Aufnahmen auch von einem Wilhelm von Gloeden (1856-1931) inspiriert, der als einer der Ersten seine jugendlichen Modelle schminkte. Doch Lagerfeld interessieren keine Knaben, sondern seine weiblichen und männlichen Modelle. So auch bei der Bildertafel „Metamorphosis of an American“ (2003-2008): 200 mal ist da das Gesicht des Models Brad Kroenig zu sehen, der zahlreiche Rollen des amerikanischen Entertainment-Systems zu interpretieren scheint.

Es sind die Geschichten hinter den Gesichtern, die den Fotografen reizen. Manche Geschichten inszeniert er dafür selbst, wie beim 16 Meter langen Wandfries, auf dem Lagerfeld die Reise des Odysseus wie in einer einzigen Megaweitwinkelaufnahme erzählt. Das Panorama besteht aus 16 Acryl-Glastafeln in Stahlrahmen und füllt nicht nur körperlich einen ganzen Saal. Zuckerbraun auch die Goethes Faust-Serie (1995) mit Claudia Schiffer als Gretchen und David Copperfield als Mephisto (da war doch was?), die er als Fotoroman verlegte.

Im Zentrum endlich der Raum, für den viele der überaus gut gekleideten Damen aus der Republik angereist sind: Chanel. Hier schlägt der Puls der internationalen Modewelt und man muss sich schon ziemlich disziplinieren, wenn man hier nicht visuell unter die Räder kommen will. Ausgerechnet ist auch noch die aktuelle Kollektion Herbst/Winter 2013/2014 zu sehen, eben das, was die schöne Frau gerade hätte am Leib haben sollen, wenn sie sich das nur leisten könnte. Sieben Modelle stehen im Original da, dazu die passenden Entwürfe an der Wand. Lagerfeld zeichnet sehr präzise und genau, das kann man hier wunderbar überprüfen. Wie sich die sehr zarten Edel-Klamotten am Körper bewegen, zeigen Monitore mit den Catwalk-Präsentationen in Paris und Dallas. Mode ist nicht nur schöner Schein, sondern auch grandioses Entertainment. Das zeigen auch die handgemachten Modelle der immens aufwändigen Shows, die mit jeder Musicalbühne mithalten könnten und anders als dort ja nur einmal benutzt werden.

Am Ende des Rundgangs schließt sich der Kreis mit Lagerfelds Werbeplakat-Sammlung und dem Laster des schönen Buches. Unmengen hat er selbst herausgegeben, mit Gerhard Steidl, der die Show in Essen mit kuratierte, hat er 2010 den L.S.D.-Verlag gegründet.Sein Buchladen "7L" in Paris ist hier am Schluss nachgebaut. Draußen kommen dann nur noch unzählige Selbstportraits vom Meister: „Ich bin das Opfer meiner selbst, was soll ich da machen“, sagte er zur Eröffnung.

Karl Lagerfeld – „Parallele Gegensätze“ | bis 11.5. | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 50 00

PETER ORTMANN

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