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Martin Kippenberger,Kippenberger zum Thema „Fiffen, Faufen und Ferfaufen“, 1982, Offsetdruck / Offset, 59,3 x 84 cm © Estate of Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain, Cologne
Foto: © Museum Folkwang

„Wer zeigt sich schon mit einem dicken Bauch, einem Sonnenbrand oder völlig betrunken?“

30. Oktober 2014

Die Schau„,Du kommst auch noch in Mode‘–Plakate von Martin Kippenberger“ im Essener Museum Folkwang – Sammlung 11/14

Martin Kippenberger, der 1997 nach einem exzessiven Leben mit nur 44 Jahren verstarb, gilt als einer der wichtigsten Künstler seiner Generation. Kippenberger war Maler, Schriftsteller, Musiker und vieles mehr. Selbst Geschäftsführer im Berliner SO36 war er, erhöhte die Bierpreise und holte sich von den Punks eine blutige Nase. Er galt eben immer als ein Enfant terrible der Kunstwelt der 80er Jahre. Die von Kippenberger überwiegend für seine eigenen Arbeiten und Ausstellungen geschaffenen Plakate zeigen eine zentrale Seite seines multimedialen Schaffens. In der Schau„,Du kommst auch noch in Mode‘–Plakate von Martin Kippenberger“offenbart sich auf ganz eigenständige Weise der charakteristische, häufig ins Absurde getriebene Humor und die ihm eigene Ironie. trailer sprach mit René Grohnert, dem Leiter des Deutschen Plakatmuseums im Essener Museum Folkwang.

trailer: Hakenkreuze kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen. Der schräge Witz von Kippenberger – ist er auch hier zu spüren?
René Grohnert:
Ich glaube dieser schräge Witz macht die ganze Sache aus. Nicht nur in seinen Arbeiten, sondern sehr speziell auch bei den Plakaten. Also wir sehen hier wunderbare Sprüche und wir haben hier wunderbare Bilder, die alle nicht zueinander passen, schon gar nicht zu dem, worum es eigentlich geht. Diese Hintergründigkeit ist es auch, die uns fasziniert, wenn jemand als Künstler sich traut, genau das zu machen. Das ist schon erstaunlich, wie konsequent Kippenberger da war und wie wenig Rücksicht er auf das allgemeine „Das tut man nicht“ genommen hat.

Auch die Typografie ist für die Tonne und dennoch sind es Kunstobjekte?

René Grohnert
Foto: Jens Nober, Museum Folkwang
René Grohnert, geboren 1956 in Berlin hat Museologie in Leipzig und Kunstgeschichte in Halle/Saale studiert. Er arbeitete als Kurator der Plakatsammlung am Museum für Deutsche Geschichte/Deutsches Historisches Museum in Berlin. Grohnert ist Mitherausgeber der Zeitschrift PlakatJournal. Seit 2005 arbeitet er als Leiter des Deutschen Plakat Museums im Museum Folkwang.

Das ist eine sehr komplexe Sache, die man sich da antun muss. Er wusste genau, wie es geht mit der Typografie, mit dem Plakat. Wie etwas wirkt. Aber er benutzte das Wissen nur, um es ganz über den Haufen zu werfen. Also er hat sehr genau gewusst, was er machen könnte und hat auch das ganz bewusst unterlaufen. Und dieses Unterlaufen hängt auch wieder mit dem Witz und dem Spaß zusammen. Aber ich denke schon, dass die Plakate Kippenbergers anders als andere Plakate auch einen anderen Anspruch haben, sie sind nicht nur Information und Anzeige, sondern sie sind auch ein inneres Tagebuch. Sie zeigen die Hintergründigkeit, die Intelligenz, also ich würde sie, wenn man das ganze Plakat-Spektrum zwischen einfacher Information und marketingtechnischen Dingen und Kunstwerk sieht, schon in die letztere Ecke stellen wollen.

Seine Person war immer eine Projektionsfläche. Sind auch die Plakate eine Projektionsfläche, vielleicht für die Zukunft?
Das weiß ich nicht. Ich glaube, das ist ein sehr individuelles Ding, das da gelaufen ist. Wir sehen ihn ja auch auf 90 Prozent aller Plakate selbst, in anderer Verkleidung, dick, dünn, verbraucht, frisch. Ich denke, dass es eine sehr individuelle Position ist, die er uns hier zeigt und die er auch zeigen will. Die andere Sache ist, dass die Veröffentlichung seiner eigenen Person in jedem Belang, also in seinem Auftreten sowohl als auch in Kunstwerken oder den Plakaten, eine Sache ist, die heute auch noch zu sehen ist, wenn sich die Leute reihenweise selber veröffentlichen. Aber die machen das eigentlich mit einem anderen Ziel. Er wollte derzeit provozieren – wer zeigt sich schon mit einem dicken Bauch, einem Sonnenbrand oder völlig betrunken. Die Leute wollen heute ihren 15 Minuten Ruhm und photoshoppen noch die letzten Falte weg. Er ist da sicher ein Vorreiter mit der Idee, sich selbst in Position zu bringen, um seine Dinge klarzumachen. Aber eben auf eine andere Weise, als wir es heute in den sozialen Netzwerken massenhaft erleben.

Aber Kippenberger war im Grunde genommen nie einer von uns und ist jetzt auch nicht mehr unter uns.
Das stimmt, er war nie einer von uns. Er war sicherlich eine Ausnahmeerscheinung, die ein dampfwalzendes Energiebündel war, und ich glaube, dass nicht jeder, der da mitlief, dem hat standhalten können oder auch wollen. In der Tat war er jemand mit einem sehr speziellen Umkreis, mit einem sehr interessanten Netzwerk. Er muss große Talente auf diesem Gebiet gehabt haben. Ob es in Berlin war, in Köln oder Österreich, in Wien, in Graz, immer hat er seine eigenen Netzwerke aufgebaut, aber in der Tat, er ist nicht mehr unter uns. Und die Frage war, die wir uns gestellt haben: Wenn wir die Sachen hier schon hängen, können wir sie eigentlich nicht so aufhängen wie sonst üblich, oder müssen wir die Leute wenigstens herausfordern? Und so haben wir sie halt ein bisschen zu hoch und zu tief gehängt. Vielleicht schaut er ja von oben herunter und es gefällt ihm. Das kann man vielleicht noch hoffen.

Was ist Ihre Lieblingsminderheit bei den Plakaten?
Die Lieblingsminderheit ist eins, das hängt dahinten: „Die Revolution in Köln muss ausfallen, die Künstler fühlen sich heute zu schwach“. Broadway Café, 23 Uhr. Also das finde ich sehr schön, auch wegen der Vorstellung, die sitzen da abends in der Kneipe, kommen nicht mehr hoch, haben aber immer noch den Nerv einen Siebdruck auf eine Folie zu machen und die überall hinzuhängen – ich weiß gar nicht, wo das in Köln überall hing. Der Umgang mit den Dingen ist im Wesentlichen sehr unernst, sehr spielerisch gewesen. Wenn wir da heute draufschauen, ist das auch ein Spiegel der Zeit. Ich glaube, dass heute bei den gleichen Voraussetzungen, wenn da noch jemand käme, das nicht mehr so durchziehen könnte wie Kippenberger damals.

Ist die Ausstellung in gewisser Hinsicht also auch ein Kreis, der sich geschlossen hat?
In gewisser Weise ja. Er hat ja hier in Essen seine Kindheit verlebt. Sein Vater hat ihn mit ins Museum genommen, und Kippenberger hatte 1984 hier seine erste Ausstellung, wo er museal präsentiert wurde und nicht nur in privaten Galerien. Die hieß „Wahrheit ist Arbeit“ zusammen mit Werner Büttner und Alber Oehlen. Insofern gibt es da sehr viele Bezugspunkte. Wir haben hier im Haus bisher auch nicht allzu viele Dinge von Kippenberger gehabt. Wir haben die Installation Tankstelle Martin Bormann, wir haben verschiedene Zeichnungen, die er auf Hotelquittungen gemacht hat und die Entwürfe für seine U-Bahn. Jetzt haben wir noch die Plakate und die Künstlerbücher. Ich denke, es ist angemessen, dass das Folkwang Museum Kippenberger etwas komplexer in seiner Sammlung vertreten sieht.

„Du kommst auch noch in Mode“ – Plakate von Martin Kippenberger | bis 18.1.15 | Folkwang Museum Essen | 0201 884 50 00

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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