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Peter Schmersal, Tisch, Nägel, Hammer, 2015, Öl auf Leinwand, 150 x 115 cm
© P. Schmersal

Zwölf Apostel

22. Februar 2018

Peter Schmersal im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 03/18

Im oberen Stockwerk des „alten“ Osthaus Museums ist derzeit eine Ausstellung mit den Bildern von Peter Schmersal zu sehen – eben genau dort, wo die berühmte Museumssammlung sozusagen in der Luft liegt. Zudem wird parallel ab Mitte März ein Teil des Museumsbestands zum frühen 20. Jahrhunderts gezeigt. Peter Schmersal nun klinkt sich mit seinen Gemälden wie selbstverständlich in die Tradition der Osthaus Sammlung ein.

Motiv seiner gegenständlichen, in locker expressivem Duktus vorgetragenen Malerei ist die Malerei selbst: als Erfassung der sichtbaren Wirklichkeit und deren Reflexion mit den Mitteln der Farbe und ihrem Auftrag auf Leinwand. Zugleich initiiert er mittels bildnerischer Paraphrasen den direkten, lebhaften Dialog mit der Kunstgeschichte. Der Zugriff auf die Meisterwerke der Kunst seit der nordischen Gotik und der südlichen Renaissance bis ins 20. Jahrhundert ist über die malerische Referenz hinaus zugleich Strategie. Peter Schmersal wendet sich so den großen Themen unseres Lebens zu mit dem ganzen Spektrum an Emotionen und des Zwischenmenschlichen. Dazu gehören aber auch die nüchtern sachlichen Zustände des Alltags und die Erkenntnis des Auratischen in diesen. In diesen Gemälden von Schmersal ist der Raum entleert und zugleich in seinen Dimensionen unbestimmt; schon die hintere Wand aus breiten Pinselstrichen ist deutlich auf Abstand gerückt. Und im Mittelgrund steht dann ein gewöhnlicher Tisch mit einer leeren Tischplatte oder einer aufgezogenen Schublade an der Vorderfront. Oder auf der Fläche, die leicht von oben gesehen ist, liegen vereinzelt ein paar Stifte oder handwerkliche Utensilien als Werkzeuge des Malers. Atmosphärisch intensiver aber könnten diese in Farbe getauchten Interieurs kaum sein. Ein anderes Motiv, das sich Schmersal immer wieder vornimmt, ist das Gesicht im Ausschnitt, also nun aus nächster Nähe. Herangezoomt bis zur Auflösung als Inkarnat, treten die Grübchen und Rundungen der Haut in der Betonung auf den Mund oder ein Auge in den Vordergrund.

In dieser Spannung zwischen Sachlichkeit und Intimität aber entwickelt sich der weitere Kosmos der Motive von Peter Schmersal. Die streckenweise allzu dichte Ausstellung im Osthaus Museum zeigt, dass er sich den gängigen, tradierten Genres zuwendet. Der Schwerpunkt liegt in Hagen auf der Figurenmalerei: als Porträt, Selbstporträt, Akt, prototypischer Mensch oder Körperfragment sowie als kunstgeschichtliche Paraphrase. Wie Schmersal im Gespräch berichtet, malt er im Atelier nach dem Modell, wobei er immer wieder mit denselben Personen arbeitet. Sich selbst male er mit Hilfe eines Spiegels. Ist er nicht selbst in der ganz neuen Reihe der Zwölf Apostel zu sehen? In ihrer Konzeption an Darstellungen aus der Kunstgeschichte orientiert, sind diese Gemälde in die lineare Hängung der anderen Porträts eingeflochten. Kennzeichnend für diese Hochformate sind das „Verblassen“ der Farbe im Rückzug auf einen Ton und das Ortlose der Umgebung, die als enges Hochformat das aufrechte Stehen mit der Bewegung verbindet. In Schmersals Malerei sind die Apostel „normale“ Menschen, die Unterwäsche tragen. Er kommt in solchen Bildern, in denen es gar nicht um das Zitat als solches geht, auf die Grundbedingungen des Seins zurück. Die Figuren sind auf sich konzentriert, mit ihrem Stand definieren sie ihre Stabilität und den Boden, betont ist ihre Leiblichkeit.

Mit seinen ebenso malerischen wie präzis erfassenden Bildern nimmt Peter Schmersal eine ganz eigene Position innerhalb der figürlichen Kunst der Gegenwart ein. Geboren 1952 in Wuppertal, pendelt er heute zwischen der Stadt im Bergischen Land und Berlin, mit Ateliers an beiden Orten. Fast möchte man sagen, seine Kunst ist etwas für Eingeweihte. Er wird von Top-Galerien vertreten, stellt aber nur relativ selten aus. Noch seltener klärt sich der Zusammenhang zur Geschichte der Malerei so eindrucksvoll wie im Osthaus Museum. Dass seine Bilder kongenial – und zwar als ein Höhepunkt – in dessen Ausstellungsfolge passen: umso besser.

Peter Schmersal. Amor der Honigdieb und ich | bis 8.4. | Osthaus Museum Hagen | www.osthausmuseum.de

Thomas Hirsch

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