Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
22 23 24 25 26 27 28
29 30 1 2 3 4 5

12.560 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Mally Khorasantchi, Me Too, 2018, Mischtechnik, Collage, Fototransfer auf Leinwand, 193 x 366 cm
© Künstlerin

Natur in Unruhe

28. Februar 2022

Mally Khorasantchi im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 03/22

Schon von der Ausstellungshalle aus leuchten die Gemälde von Mally Khorasantchi im offenen Zwischengeschoss darüber: ein All-Over aus flirrenden vegetativen Verläufen und blättrigen Flächen in hellen, oft pastellfarbenen Tönen, das in seiner Großzügigkeit unbeschwert wirkt – von weitem. Aber so gemütlich ist es mit dieser intensiven Malerei nicht. Bereits der Auftakt der Ausstellung im Osthaus Museum rückt die Verhältnisse klar. Die acht Hochformate der Jahre 2008 bis 2010 sind dunkler und irgendwie spröde, weil auf die Leinwände gräulich oder beige Schwarzweißfotografien aus dem Familienalbum geprinted sind. Diese betreffen einerseits die frühen Stationen der 1948 geborenen und in Düsseldorf aufgewachsenen Künstlerin, die seit Jahrzehnten in Florida lebt, andererseits stehen sie für die deutschen Nachkriegs- und Wirtschaftswunderjahre. Nun hat Mally Khorasantchi sie malerisch umrankt. Herausragend ist das Bild eines Mädchens mit langen Zöpfen, das von einem Meer gemalter Rosenblüten umfangen ist: Die Malerei verdichtet, aber lässt doch jede der Blüten für sich atmen. Und sie weist den Weg zu den weiteren ausgestellten Gemälden der Jahre 2018 bis 2021.

Osthaus Museum Hagen
Foto: Werner Hanappel
DAS MUSEUM: Das im Jugendstil erbaute Osthaus Museum Hagen widmet sich der modernen Kunst und ist nach Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus benannt, der es 1902 eröffnete. Mit einer Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst und Innenarchitektur im Jugendstil wird das Museum auch zu einem Ort der Inspiration. Dr. Tayfun Belgin ist seit 2007 Direktor und künstlerischer Leiter des Fachbereichs Kultur.

Immer wieder hat das renommierte Osthaus Museum unter der Leitung von Tayfun Belgin Ausstellungen veranstaltet, mit denen man nicht gerechnet hat oder von denen man nicht einmal wissen konnte – die der deutsch-amerikanischen Malerin gehört dazu. Obzwar Mally Khorasantchi sich ihr Leben lang mit Kunst beschäftigt und ein Malerei-Studium absolviert hat, ist sie erst Anfang der 2000er Jahre mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten. In Deutschland hat sie erstmals 2008 ausgestellt; die frühen, nun in Hagen gezeigten Bilder sind mittlerweile im Frauenmuseum Bonn untergebracht. Was die aktuellen Gemälde betrifft, so mögen sie in ihrer Flächigkeit und den farbigen Abläufen Wurzeln im europäischen Tachismus besitzen, aber von nahem sind sie eben anders, schon indem sie das Licht ihrer Wahlheimat Naples in Florida ausstrahlen. Sie vermitteln eine expressive Schwebe zwischen Naturbeobachtung und Verselbständigung des malerischen Wucherns hin zur Abstraktion. Schwerpunkte im Bildgeschehen bilden fließende, oft floral angelegte Farbformen, vorwiegend in sattem Rotorange, Hell- oder Dunkelblau und Weiß, bei mehreren Gemälden durchschossen von sechseckigen Rastern, die den Eingriff der Zivilisation anzeigen.


Mally Khorasantchi, Limitations #7, 2021, Öl, Collage auf Leinwand, 183 x 132 cm, © Künstlerin

Der Wechsel der Betrachtung aus dem Abstand bis unmittelbar vor die teils zwei- oder dreiteiligen Leinwände gibt inmitten der ausgreifenden oder fließenden Farbbewegungen collagierte Fotografien und Postkarten zu erkennen. Die Collage forciert den Blick in tiefere Schichten, lässt in das Farbgeschehen eindringen, wird von Strudeln umfangen, wirkt einmal harmonisch, dann bewusst appliziert und als Störfaktor. Nachvollziehbar wird, wie sich das Bild in seinen Einzelheiten aufbaut, zusammenfügt und dabei ordnet. Die Bilder verweisen autobiographisch auf das private Leben, aber sie legen genauso gesellschaftskritische Fährten, ermuntern, sich engagiert einzumischen und verdeutlichen, welche Rolle die Natur spielt: Mally Khorasantchis Malerei ist eine Entdeckung.

Mally Khorasantchi – Limitations/Begrenzungen | bis 10.4. | Osthaus Museum, Hagen | 02331 207 31 38

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Challengers – Rivalen

Lesen Sie dazu auch:

„Das kann einem einen kalten Schauer bringen“
Direktor Tayfun Belgin über die Gottfried Helnwein-Ausstellung im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 04/24

Eine schreckliche Realität
Gottfried Helnwein im Osthaus Museum

Das beste Licht der Welt
Heinz Mack im Osthaus Museum in Hagen – kunst & gut 07/23

Die anderen Werke
Sammlungspräsentation im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 04/23

„Dimensionen, wie man sie bei uns nicht findet“
Tayfun Belgin über „Labyrinths of Love“ im Osthaus Museum Hagen – Sammlung 10/22

Der Mensch mit der Natur
Karl Ernst Osthaus-Preisträger Sven Kroner in Hagen – kunst & gut 10/22

Splitter der Heimat
Assadour im Osthaus Museum in Hagen
 – kunst & gut 04/22

Aus der Stadt Hagen
Ein kulturgeschichtlicher Einblick im Osthaus Museum Hagen

Ping Pong mit der Geste
Zwei „Junge Wilde“ mit Gemeinschaftsarbeiten im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 08/21

Mitten im Leben
Hyperrealistische Skulpturen im Osthaus Museum Hagen – kunst & gut 11/20

Farbenrausch daheim
„Expressionisten. Aus der Sammlung“ – Ausstellung in Hagen – kunst & gut 04/20

Vom Menschen
Pia Stadtbäumer in Hagen – Ruhrkunst 11/19

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!