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Der Bochumer Intendant Olaf Kröck
Foto: Knotan

„Wir fahren schnell, aber nicht zu schnell“

28. September 2017

Bochumer Intendant für ein Jahr: Olaf Kröck über die neue Spielzeit – Premiere 10/17

trailer: Herr Kröck, wovon träumt man als Intendant des Bochumer Schauspielhauses?
Olaf Kröck: Man träumt davon, dass das Haus weiterhin so gut angenommen wird wie das in den letzten Jahren war. Und dass so viele verschiedene Menschen in dieses Haus kommen. Menschen, die viel Theater schauen, die auch einen hohen Anspruch haben und die von Kunst wirklich was wollen. Aber genauso auch die Menschen, die eher selten an so einen Ort gehen, die vielleicht auch eine gewisse Scheu haben, weil sie denken, das könnte für sie zu kompliziert sein, und die sich fragen: Verstehe ich das überhaupt? Die will ich hier ganz genauso haben. Ein Intendant des Schauspielhauses Bochum träumt auch davon, dass das, was man auf der Bühne tut, in irgendeiner Form für die Menschen relevant ist, nicht für uns selbst, sondern für die Menschen, die sich das anschauen.

Und wer soll, so ihr Sinnspruch, dabei weiterträumen?
Das sind ganz verschiedene Leute. Mir ist unglaublich wichtig, in so einer Stadt wie Bochum mit so einer großen Theatertradition, die aber auch eine Familienstadt ist, auch ganz junge Zuschauer zu erreichen. Das Schauspielhaus sollte der erste Ort zu sein, der Menschen mit der Kunstform Theater in Kontakt bringt und sie verzaubert und begeistert. Damit man diese Kindererinnerungen hat, ans ersten Theatererlebnis im Schauspielhaus, ans erste Kinder- und Familienstück. Und das Weiterträumen geht bis zu denjenigen, die durch die ganze Republik reisen und Großkunst schauen und denken, dass das Schauspielhaus einer der Orte ist, wo diese Großkunst auf höchstem Niveau auch stattfindet.

Momentan macht das Theater jetzt erst einmal Platz – also draußen vor der Tür.

Olaf Kröck
Foto: Knotan

ZUR PERSON
Olaf Kröck (*1971 in Viersen) studierte Angewandten Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim. Er war 2001 bis 2004 Dramaturg Experimentierbühne „UG“ am Luzerner Theater sowie 2005 bis 2010 am Schauspiel Essen, danach am Schauspielhaus Bochum. In der Spielzeit 2017/2018 ist Kröck dort Intendant. Ab dem nächsten Jahr leitet er die Ruhrfestspiele in Recklinghausen.

Ja, wir haben dieses Jahr für uns definiert als ein Jahr, in dem wir zum einen genauso viel bieten wollen, wie in den Jahren zuvor. Wir haben aber auch definiert, dass wir den Künstlerinnen und Künstlern, mit denen wir sprechen, vielleicht nochmal ein Stückchen mehr Freiheit geben, um in den Projekten mutiger zu werden, und auch, um in der Stadt wirklich spür- und sichtbar zu sein. Und ein solcher Ort ist der Theatervorplatz, der das Schicksal hat, dass er groß ist, dass er zentral ist, aber dass er relativ unbelebt ist. Die Installation, die uns die Bühnen- und Raumkünstlerin Cordula Körber entworfen hat, die wir im Augenblick gerade aufbauen und die als ein modulares System sehr variabel ist, lädt die Leute ein, auf diesem Platz zu verweilen oder sich zu treffen.

Als Inbesitznahme von Bürgern?
Richtig. Also wir bespielen diesen Platz zwar zum Ende der Spielzeit auch, aber das machen wir ganz bewusst erst zum Schluss. Jetzt wollen wir der Stadt erstmal eine Art Bühne, Spielfläche geben, die von den Bürgerinnen und Bürgern belebt wird.

Eine Spielzeit auf Abruf heißt ständig einen Fuß auf dem Gaspedal, oder?
Ja, ein Stück weit. Aber nicht so, dass man in Gefahr gerät, aus der Kurve zu fliegen. Weil das auch  ein Haus ist, an dem viele Menschen beschäftigt sind, die hervorragende Arbeit leisten, aber auch die können nur so viel leisten, wie es eben geht. Und ich darf jetzt nicht den Fehler machen, in diesem Jahr nur mich selbst zu sehen. Ich habe natürlich im Blick, dass hier schon seit Jahrzehnten Menschen sind, die das auch hoffentlich bleiben, aber die haben auch nur eine bestimmte Kraft. Ich merke aber eine unglaublich positive, unterstützende Energie, und die rufen wir ab. Also: Wir fahren schnell, aber nicht zu schnell.

Was sind denn die Eisbergspitzen in dieser Spielzeit?
Ich glaube, die gesamte Eröffnung ist schon mal so ein Punkt. Die drei Arbeiten sind zusammengedacht: „Ein Volksfeind“, „Maria Stuart“ und „Wir müssen reden“. Das wird sich richtig lohnen, alle drei zu schauen und zu merken, wie die zusammenspielen. Ich glaube, die „Orestie“, die Lisa Nielebock im November inszenieren wird, ist eine dieser Spitzen. Dann die europäische Erstaufführung des  Broadway-Supererfolgs „The Humans“ im Dezember im Großen Haus und die deutsche Theater-Erstaufführung von Lars von Triers Film „Melancholia“.

Aber der Samstag ist doch probenfrei, kann man das schaffen?
Das kann man durchhalten, aber es ist herausfordernder und komplexer, als es im ersten Moment scheint. Weil der ganze Theaterbetrieb eigentlich auf eine 6-Tage-Woche ausgerichtet ist. Auch in der Arbeitsplanung. Wenn man das plötzlich verkürzt, bedeutet das sofort Konsequenzen für die gesamte Jahresplanung mit den künstlerisch Beschäftigten.

Shakespeares „Ende gut, alles gut“ – hat das Symbolcharakter?
Das hat sicher auch Symbolcharakter. Da steht aber noch ein anderes Prinzip dahinter: Wir haben geschaut, welche alten Stoffe an diesem Haus mit seiner riesigen Tradition noch nie gemacht worden sind. Die „Orestie“ ist so ein Stück,  aber auch „Ende gut, alles gut“ ist im deutschsprachigen Raum ein unglaublich selten gespielter Stoff.

Ein Spielzeitheft als Abreiß-Kalender?
Wir haben lange darüber nachgedacht, wie man dieses Jahr sichtbar macht. Weil Theater ein flüchtiges Medium ist, das immer nur in dem Augenblick stattfindet, scheint der Abreiß-Kalender ist die beste Metapher dafür. Der beginnt jetzt, hat 298 Seiten plus eine fürs Vorwort. Mit dem Abriss der letzten Seite ist unsere Spielzeit auch zu Ende.

Aber man braucht einen langen Nagel.
Wenn das das einzige Problem ist, haben wir wenige Probleme.

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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