Mit dem Wettbewerb „Kunstpiep“ fördert das Festival Fidena (Figurentheater der Nationen) die gegenseitige Inspiration von Figurentheater und Medienkunst. Historisch sind diese Genres von jeher eng verbunden, wie Camera Obscura, Schattentheater, Puppentrickfilm oder Animation zeigen. Das Internet hält neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen bereit. Mit dem Wettbewerb werden experimentelle Projekte angestoßen, in denen sich Figurentheater- und Medienkünstler kreativ begegnen und austauschen können.
trailer: Frau Dabs, macht die Fidena jetzt dem Animationsfilm Konkurrenz?
Annette Dabs: Wir würden dem Animationsfilm ja nur Konkurrenz machen, wenn wir welche herstellen würden. Aber wir präsentieren alles ja nur. So wie wir auch dem Figurentheater keine Konkurrenz machen, sondern es lediglich zeigen. Im Prinzip sind wir eine Plattform, um das Beste auszuwählen und in die Öffentlichkeit zu bringen. Genau das machen wir mit dem Animationsfilm auch.
Die Bühne ist also nicht genug?
Was ist schon genug? Für die Kunst ist nie etwas genug. Die Kunst sucht sich die Bühne, die Öffentlichkeit und die Ausdrucksmittel, die sie braucht. Animationsfilm oder Puppenspieltrickfilm sind einfach verschiedene Genres und somit verschiedene Ausdrucksformen, aber ihre Wurzeln sind ja dieselben. Puppenspieltrickfilm hat eben auch etwas mit Puppenspiel zu tun. Und das deutsche Forum für Figurentheater kümmert sich um alle diese Ausdrucksformen.
Die Fidena wird zum Kino?
Nein. Wir werden zwar mit der Präsentation der „Kunstpiepse“ bei der Preisverleihung in einem großen Kino sein, im Metropol im Bochumer Hauptbahnhof. Der „Kunstpiep“ selbst ist aber in erster Linie für unser Portal im Internet produziert worden. Wir haben diese Seite damals als Kreativportal eingerichtet und hatten von vorneherein das Ziel, dass dort Dinge gezeigt werden, die experimentell sind – Eyecatcher, die man im ersten Moment gar nicht mit Figurentheater in Verbindung bringen würde. Aber das hatte nicht immer nur mit Animationsfilmen zu tun, was auch der Grund dafür war, warum wir den Preis „Kunstpiep“ genannt haben. Das Wort hat zum einen die Assoziation zur Peepshow. Soll heißen, wir machen ein Fensterchen auf, wodurch man in eine sehr ungewöhnliche Welt Einblick erhält, denn das, was die meisten Leute mit Trickfilm verbinden, sind entweder Zeichentrickfilme für Kinder, Anime aus Japan, oder die großen Pixar-Kinofilme. Aber dass es dazwischen noch vieles an kleinen Experimentalgeschichten gibt, an kleinsten Filmchen, die auch noch nicht in dem großen Kurzfilmbereich in Oberhausen zu sehen sind, ist ja den meisten gar nicht bekannt. Die andere Assoziation ist eben „piep“, wie von einem ein Mäuschen: Mach mal einen „Kunstpiep“, ruhig klein, das muss nicht groß sein.
Und Europa ist reif für den biennalen „Kunstpiep“?
Oh ja! Obwohl das natürlich dauert. Wir wussten von vornherein, dass sich so ein neuer Wettbewerb erst einmal herumsprechen muss, und dass wir nicht so arrogant sein dürfen, zu meinen, dass alle nur auf uns gewartet hätten. Aber es ist genau diese Mischung von Leuten aus der Puppentheaterszene und der Filmszene, durch die der „Kunstpiep“ so spannend wird. Dazu kommt die Möglichkeit, Dinge zu zeigen, die sehr kurz sind. Man kann sie also durchaus experimentell herstellen, ohne dass dafür ein Jahr Arbeit investiert werden muss. Auch die Möglichkeit, ein Publikum zu erreichen, dass sich für Puppentheater interessiert, macht uns attraktiv. Also: Unser Format ist einzigartig, soweit ich weiß. Ich bin mir natürlich nicht zu hundert Prozent sicher, also muss ich das „einzigartig“ ein wenig relativieren. Herumsprechen tut sich unsere Preisverleihung jedenfalls schon. Wir haben Einsendungen aus ganz Europa, beispielsweise aus Lettland, der Niederlande, Tschechien, Polen, Frankreich, Spanien oder Kroatien.
Wie viele Einsendungen gab es insgesamt?
Beim ersten Mal hatten wir 64 Einsendungen und haben 57 online gestellt. Es passiert immer, dass man sich gegen bestimmte Beiträge entscheidet, entweder weil sie zu qualitativ zu schwach sind, oder weil wir uns mit ihnen thematisch nicht identifizieren können. Aus den Ausgewählten gab es dann zehn Nominierungen, einen Gewinner und einen Publikumspreis.
In diesem Jahr kommt die Compagnie Willi Dorner?
Ja, endlich! Denn eigentlich wollte ich die Compagnie schon zur letzten Fidena einladen. Ich finde sie ganz toll. 2011 habe ich sie gesehen, da ich immer alle live sehen muss, bevor ich sie einlade. Aber leider war die Compagnie für 2012 schon vergeben. Ihre Choreografie heißt „Bodies in Urban Spaces“. Tänzer und Performer bewegen sich in sehr bunten, kontrastreichen Klamotten durch die Stadt. Willi Dorner, er ist Wiener, wird sich mit uns gemeinsam Details in der Stadt aussuchen. Architektonisch sind die vielleicht völlig unauffällig, aber dadurch, dass sich dann Körper da hineinpressen und dadurch die Architektur akzentuieren, bekommen sie für den Betrachter eine schärfere Kontur. Auch die Knallfarben machen sie auffälliger und dadurch kriegt man eine völlig neue Aufmerksamkeit auf Details in der Stadt, an denen man sonst immer vorbeiläuft. Wenn es uns gelingt, die Orte auszuwählen, wo das besonders gut gelingt, dann geht man an diesen Stellen nie wieder mit dem alten Gefühl vorbei. Diese Punkte sind dann aufgeladen mit einer neuen, vitalen Energie, durch die innerlich vielleicht ein kleines Lächeln erzählt wird. Das finde ich ganz wertvoll – gerade auch in so einer Stadt wie Bochum. Wir haben ja mit der Fidena im letzten Jahr schon sehr erfolgreiche Openair-Produktionen gemacht – zum Beispiel auf der Baustelle mit dem Bagger – und gemerkt, dass es toll ist, wenn man die Stadt einbindet. Das möchte ich gerne weiterführen.
Wie geht es der Fidena ganz grundsätzlich?
Was die Regionalisierung angeht, also das Interesse der anderen Städte, auch ein Teil der Fidena zu werden, sehr gut. Für dieses Festival freut mich das sehr. Wir werden im nächsten Jahr Dortmund als vierte Stadt neben Bochum, Herne und Essen begrüßen können. Wieder werden wir ganz tolle Orte bespielen. In Essen wird das allerdings nicht wieder die Lichtburg sein, weil ich finde, dass man so einen Knüller nicht so schnell wiederholen sollte. Aber wir sind im nächsten Jahr auf PACT Zollverein und im Grillo Theater. Und in Dortmund, wie sollte es anders sein, sind wir natürlich im Dortmunder U. Darunter machen wir es natürlich nicht (lacht). Auch der „Kunstpiep“ wird thematisch nach Dortmund rüberwandern.
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