Der Preisname klingt vielleicht sperrig: „Fritz Bauer & Raphael Lemkin Human Rights Film Awards“ – aber der Zeitpunkt, Filme auszuzeichnen, die sich mit Menschenrechten, Demokratie und Gerechtigkeit befassen, könnte nicht besser sein. Im Fritz Bauer Forum in Bochum wurden die Human Rights Film Awards verliehen. Zuvor hatte an derselben Location drei Tage lang das noch junge Unlimited Hope Film Festival stattgefunden, ein Festival, das Filme würdigt, die sich mit Menschenrechtsfragen beschäftigen. Das trailer-ruhr-Magazin ist Medienpartner des Festivals.
Aus über 20 Filmen hat die Jury, bestehend aus Sung-Hyung Cho, selbst Filmemacherin, Tobias Bastian, Sounddesigner und Mischtonmeister, der Schauspielerin Maria Wolf und dem Filmemacher und Fotografen Franz Birker drei Filme für die Ehrung mit dem Preis ausgewählt. Einen Langfilm, einen Kurzfilm und einen weiteren Film, der mit einer Sonderehrung bedacht wurde.
Bester Kurzfilm: „Walud“
In der Kategorie „Bester Kurzfilm“ wurde die deutsch-tunesische Produktion „Walud“ ausgezeichnet, die mit einem Preis in Höhe von 3.000 Euro verbunden ist. „Walud“ erzählt die bewegende Geschichte einer europäischen ISIS-Konvertitin, die als Zweitfrau eines ISIS-Kämpfers hautnah erlebt, wie Frauen in dieser Gemeinschaft behandelt werden. Bei der Preisverleihung zeigte sich Filmemacher Daood Alabdulaa sichtlich gerührt, als er gemeinsam mit Co-Regisseurin Louise Zenker die Auszeichnung entgegennahm.
Bester Langfilm: „No Other Land“
Der Preis für den besten Langfilm ging an den bereits vielfach prämierten Dokumentarfilm „No Other Land“. Schon 2024 wurde der Film auf der Berlinale und mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet, 2025 folgte die Ehrung mit einem Oscar. Der Debütfilm der Filmemacher Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham und Rachel Szor schildert den Kampf von Palästinensern im Westjordanland gegen israelische Truppen, die versuchen, die Menschen von ihrem angestammten Land zu vertreiben. Mit Bulldozern werden ihre Häuser in Masafer Yatta platt gemacht, um dort israelische Militärübungsplätze zu schaffen. Doch die palästinensische Bevölkerung leistet Widerstand gegen die israelischen Truppen. Vor jedem Einrücken der israelischen Armee sammeln sich Aktivist:innen und demonstrieren gegen die Zerstörung ihrer Häuser. Nach jeder Zerstörung versuchen sie, ihre Häuser wieder aufzubauen – bis die Truppen und Siedler aus Israel erneut anrücken. Die Bilder, die der Film seinen Zuschauer:innen zumutet, sind schwer zu ertragen. Sie zeigen die brutale Vorgehensweise Israels – nicht erst seit dem 7. Oktober 2024, sondern seit Jahrzehnten. „Der Dokumentarfilm ‚No Other Land‘ ist ein erschütterndes Zeugnis von Geschehen, die nicht erst seit gestern anhalten, sondern für die jungen Menschen in Palästina seit mehr als 20 Jahren und für die Älteren seit fast einem halben Jahrhundert Realität sind“, sagte Jurorin Sung-Hyung Cho in ihrer Laudatio, „es ist ein Film, der nicht nur informiert und aufklärt, sondern tief berührt und sich ins Gedächtnis brennt“.
Dass sich die Geschehnisse, die im Film geschildert werden, in das Gedächtnis der Weltgemeinschaft brennen, reicht den Filmemachern aber nicht. Aufgrund der aktuellen Lage in Gaza/Israel konnte keiner von ihnen an der Preisverleihung teilnehmen. Jedoch schaltete sich Yuval Abraham per Video dazu, dankte für die Ehrung und sprach dabei deutliche Worte, die Bezug nahmen auf den Namensgeber des Preises, den Juristen Raphael Lemkin, der als Vater der UN-Genozidkonvention gilt: „Es ist ironisch, diese nach Raphael Lemkin benannte Auszeichnung zu erhalten. Wenn er noch am Leben wäre, hätte er den Begriff ‚Genozid‘ verwendet, um zu beschreiben, was mein Land in Gaza tut“, sagte der israelische Journalist und kritisierte die deutsche Haltung im Gaza-Konflikt. Er forderte alle auf, mehr Druck auf ihre Regierungen und deren Umgang mit Israel auszuüben. „Sie werden nicht aufhören, wenn kein Druck von außen ausgeübt wird“, stellte er klar. „Wir brauchen dringend eine Änderung in der Außenpolitik“, ergänzte er mit Blick Richtung Deutschland und seiner Haltung, sich hinter dem Begriff „Staatsraison“ zu verstecken. Jede:r, der an eine Zukunft in Frieden und Gleichheit glaubt, „an ein Ende dieser Besatzung, dieser Vernichtung, an ein Ende der Vorherrschaft einer Gruppe über eine andere“, müsse sich aktiv dafür einsetzen, dass die eigene Regierung den aktuellen Kurs wechselt, so seine Botschaft. Das gesamte Team freue sich über diesen weiteren Preis, und hoffe, dass der Film dazu beitragen kann, die Wahrheit zu verbreiten.
Sonderpreis: „Kein Land für Niemand“
Der Sonderpreis ging an einen Film, dem die Jury eine besondere Nähe zum Lebenswerk der Juristen Fritz Bauer und Raphael Lemkin bescheinigte. In „Kein Land für Niemand“ begeben sich die Filmemacher Max Ahrens und Maik Lüdemann auf eine Reise durch politisch turbulente Zeiten, in denen Migration zur Krise erhoben worden ist. Wir alle kennen die Bilder von überfüllten Flüchtlingsbooten, die an den Außengrenzen Europas stranden. Wir alle haben mitbekommen, wie eine rechts-extremistische Partei gegen Migrant:innen hetzt, und wie selbst sogenannte demokratische Parteien wie CDU und SPD eine „Schotten dicht“- und „Abschiebe“-Politik betreiben. Woher kommt dieser Rechtsruck, dieser Mangel an Empathie für Menschen, die – aus welchen Gründen auch immer – ihre Heimat verlassen mussten? Wie gehen Geflüchtete oder Menschen mit Migrationsbiographien mit dem wachsenden Hass um? Der Film versucht, Antworten auf diese Fragen zu finden. Jury-Mitglied Thomas Bastian würdigte den Film mit den Worten: „Dieser Film ist eine notwendige Stimme in einer Zeit, in der zu viele schweigen oder wegschauen. Danke für diesen Mut. Danke für diese Klarheit. Und danke für einen Film, der uns alle angeht.“
Gerade weil uns diese Themen alle angehen, hätte es dieses Festival verdient, wesentlich mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber es ist noch jung und jedes neue Festival braucht Zeit, sich zu etablieren. Weitergehen soll es im kommenden Jahr auf jeden Fall, versicherte Irmtraud Wojak, Geschäftsführerin des Fritz Bauer Forums. Gerade in so bewegten Zeiten wie diesen sei es wichtig, dass Filme auch Geschichten erzählen, die Wahrheit suchen und gleichzeitig aber auch Hoffnung bewahren. „Let us all hope for better days“, mit diesen Worten schloss Yuval Abraham seine Dankesrede – ein Wunsch, der Millionen Menschen weltweit aus dem Herzen spricht. Gleichzeitig fasste er damit zusammen, wofür die Buxus Stiftung und das Fritz Bauer Forum stehen und sich einsetzen.
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