Jakob Gatzka ist seit über 20 Jahren als Filmemacher tätig, hat Interviews, Kurzfilme, Trailer, Imagefilme und Dokumentationen geschrieben, inszeniert und produziert. Er hat dabei in rund 20 Ländern gedreht, u.a. in Afghanistan, Israel, dem Iran, China und den USA. Er ist Geschäftsführer der Figurative Film GmbH und hat 2021 mit Irmtrud Wojak von der Buxus-Stiftung das Unlimited Hope Filmfestival in Bochum ins Leben gerufen. In diesem Jahr findet es zum zweiten Mal statt, nun in den Räumen des Fritz-Bauer-Forums und mit zwei Programmen auch im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund.
trailer: Herr Gatzka, das Festival Unlimited Hope wurde 2021 gegründet. Welche Idee steckt dahinter?
Jakob Gatzka: Damals waren wir im Aufbau des Fritz-Bauer-Forums, ich arbeite mit dessen Gründerin Irmtrud Wojak seit vielen Jahren zusammen. Wir sind zusammen viel rumgekommen und haben zusammen weltweit Interviews geführt, die sich um Menschrechte drehen. Wir haben Menschen interviewt, die sich in irgendeiner Weise große Verdienste rund um die Menschrechte erworben haben. Aber auch Menschen, die Widerstand geleistet und überlebt haben, waren dabei unser Thema, das hat uns seit 2017 gemeinsam begleitet. Dann ist zunächst die Idee zum Fritz-Bauer-Forum entstanden. Für mich als Filmemacher war es auch immer wichtig, wie man Geschichten von Widerstand und Menschenrechten im Film erzählen kann. Wie kann man Film dazu einsetzen, Menschrechtsbildung zu betreiben? Aus diesem Geist heraus entstand das Festival. Wir hatten damals noch nicht die Räumlichkeiten dafür und sind ins Metropolis-Kino am Bochumer Hauptbahnhof gegangen, und haben damals schon ein sehr gutes Programm zusammengestellt, aber es war eine schwierige Situation, weil es noch die Corona-Beschränkungen gab.
Welchen Stellenwert nimmt die mediale Ausrichtung bei den Organisationen Fritz-Bauer-Forum und Buxus-Stiftung insgesamt ein?
Einen sehr großen Stellenwert! Ich bin in Bayern ansässig, weswegen ich nicht mehr so nah dran bin, was die Programme rund ums Jahr betrifft. Das Fritz-Bauer-Forum wurde im Mai 2025 erst eröffnet, und es hat sich hier bereits ein großer Kreis an interessierten regelmäßigen Besuchern entwickelt. Es gibt dort viele Veranstaltungen mit Filmen, die im Anschluss diskutiert werden. Aber ich selbst bin im Wesentlichen für das Unlimited-Hope-Filmfestival zuständig. Irmtrud hat immer das Potenzial erkannt, dass Film etwas ist, was auf dem emotionalen Weg Menschen für Menschenrechte begeistern und ein Bewusstsein dafür schaffen kann.
Seit der Erstausgabe des Festivals hat sich die humanitäre Lage weltweit noch zugespitzt. Äußert sich das bereits in den Filmbeiträgen des Programms?
Ja, ich denke, es ist heute noch viel notwendiger geworden, ein solches Festival zu veranstalten. In den Filmen wird heute ein anderer Ton angeschlagen, die Haltungen sind alle noch ein Stückweit zugespitzter und kommen ungefilterter zum Ausdruck. Es sind weniger Filme, die sich um einen Ausgleich bemühen, die verschiedene Sichtweisen zum Ausdruck kommen lassen, sondern eher Filme, die eine klare Haltung einnehmen und die mit voller Wucht unterstützen und argumentieren. Umso wichtiger ist es, dass das Festival stattfindet, dass wir Unterstützer und Partner gefunden haben, im Deutschen Fußballmuseum Dortmund und in der Film- und Medienstiftung NRW.
Wie wird das Programm zusammengestellt? Sichten Sie viel auf anderen Filmfestivals oder läuft das über Einreichungen?
Beides. Es sind sehr viele Filme über unsere Plattform eingereicht worden. Weil die Filme auch ein Verfallsdatum haben, sind kaum Filme dabei, die älter als 2024 sind. In diesem Jahr war ich aber auch auf der Berlinale und auf dem Münchner Dok.fest, habe nach rechts und links geschaut und dann auch einige Filme eingeladen, die noch gar keinen Kinostart hatten. Deswegen ist unser Programm sehr hochkarätig und sehr aktuell. Wir haben überwiegend Dokumentarfilme, aber es sind auch zwei Spielfilme dabei. Zwölf Langfilme und zehn Kurzfilme insgesamt, aus denen wir auf sehr intensiven Sitzungen mit der Jury das Programm zusammengestellt haben. Die Jury besteht aus einer Filmemacherin, einem Sound-Designer, einem Fotografen und zwei Schauspielerinnen, die verschiedene Zugänge zu Filmen haben und in der Chemie wunderbar zusammengearbeitet und sich eingebracht haben. Eines der Jurymitglieder hat sogar aus eigenen, privaten Mitteln den Hauptpreis von ursprünglich 3.000 Euro auf 10.000 Euro aufgestockt, weil der Preis gut dotiert sein und Gewicht haben soll.
Was kann ein Festival an Mehrwert liefern gegenüber regulären Kinoeinsätzen von Filmen?
Wir erhoffen uns, dass es zu Diskussionen beiträgt. In vielen Fällenermöglichen wir, dass die Filmemacher selbst vor Ort oder zumindest per Zoom zugeschaltet sind, damit „Q&As“ (Formate mit Fragen und Antworten, d. Red.) mit dem Publikum möglich sind. Diese werden teilweise von Jurymitgliedern moderiert, aber auch mit der Jury selbst kann manins Gespräch kommen. Die Filme laufen in verschiedenen Räumen im Fritz-Bauer-Forum. Natürlich ist das kein Kino, aber wir haben dort trotzdem gute Möglichkeiten, Filme zu projizieren, bei denen es auch ein Kinofeeling gibt. Das Festival soll dazu dienen, dass man über das Gesehene diskutiert, und dass Menschen vielleicht sogar zum Handeln bewogen werden.
Sie selbst sind auch Filmemacher. Was glauben Sie, können Filme etwas verändern, zum Umdenken oder zum Handeln anregen?
Man sollte die Bedeutung von Filmen nicht zu hoch hängen, aber ich glaube schon, dass sie über die Macht der Bilder und über den emotionalen Zugang Menschen sehr bewegen und etwas mit ihnen anstellen können. Inwieweit das dann ins Bewusstsein vordringt und was das mit den Menschen macht, ist sehr individuell. Aber ich glaube schon, dass Filme einen großen Einfluss auf Menschen haben können. Wenn man Filme im dunklen Kinosaal sieht und nicht zu Hause auf dem Sofa, hat das auch eine viel stärkere Wirkung. Den Filmen, die wir zeigen werden, kann man sich nur schwer entziehen. Wenn man sich auf diese Geschichten einlässt, ist das bereits ein erster Schritt. Was daraus entsteht, ist nicht absehbar, aber es wird etwas im Bewusstsein verändern. Im Vergleich zum letzten Festival sind es dieses Mal sehr viele Filme, die sich um Deutschland drehen. 2021 waren es mehr internationale Filme. Die haben wir jetzt auch, aber es ist dieses Mal zu spüren, dass die Probleme noch stärker nun auch bei uns angekommen sind und die Filme sich dementsprechend auch mehr mit unseren Problemen befassen.
Wie kam es in diesem Jahr zur Kooperation mit dem Deutschen Fußballmuseum Dortmund – und haben Sie Pläne, das Festival weiter im Ruhrgebiet auszudehnen?
Die Zusammenarbeit mit dem Deutschen Fußballmuseum Dortmund entstand durch einen bereits bestehenden Kontakt mit dessen Leiter Dr. Henry Wahlig, der in dieser Hinsicht sehr offen war und vorher ja auch bereits mit dem Internationalen Frauen Film Fest Dortmund+Köln zusammengearbeitet hatte. Wir würden mit unserem Festival ab sofort gerne in einen jährlichen Turnus kommen und würden dabei weiterhin gerne wieder mit dem Deutschen Fußballmuseum Dortmund zusammenarbeiten. Wir suchen aber auch weitere Partner im Ruhrgebiet. Fußball hat sich für uns angeboten, weil es ein Massenphänomen ist und deswegen viele Menschen erreicht. Außerdem gibt es im Fußball auch viele Organisationen gegen Rechts, um damit ein Bewusstsein zu schaffen gegen Fremdenhass und Rassismus.
2. Unlimited-Hope-Filmfestival | 4. - 7.9. | Fritz Bauer Forum, Bochum / Deutsches Fußballmuseum, Dortmund | www.unlimited-hope.net
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Am Puls der Zeit
Das 2. Unlimited-Hope-Filmfestival in Bochum und Dortmund – Festival 09/25
Geschichte eines Denkmals
Führung im Bochumer Fritz Bauer Forum
Die Vergangenheit ruhen lassen?
Vortrag über die Essener Justiz nach der NS-Zeit im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Spezial 08/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
Im Spiegel der Geschichte
Die Ausstellung „Die Rosenburg“ im Bochumer Fritz Bauer Forum – Spezial 06/25
Ein Leuchtturm für Demokratie und Menschenrechte
Eröffnung des Bochumer Fritz Bauer Forums – Spezial 06/25
Das Vermächtnis bewahren
Eröffnung des Bochumer Fritz Bauer Forums – Bühne 05/25
Kampf um des Menschen Rechte
Das Unlimited Hope-Filmfestival in Bochum – Festival 01/22
„Es ist vertraut, aber dennoch spannend“
Schauspielerin Barbara Auer über „Miroirs No. 3“ – Roter Teppich 09/25
Weinende Wände
Das Filmtheater als Begegnungs- und Spielstätte – Vorspann 09/25
„Das Leben ist absurd, nicht der Film“
Regisseur Elmar Imanov über „Der Kuss des Grashüpfers“ – Gespräch zum Film 08/25
Sommerkino als Filmarchiv
Kollektives Gedächtnis statt Konserve – Vorspann 08/25
Kinofest-Test
Lünen als Versuchslabor für die Kinozukunft – Vorspann 07/25
Mikrodramen vs. Spielfilm
Was können Kinos gegen die Schnipselflut tun? – Vorspann 06/25
Arbeitskampf und Dekolonisation
Das IFFF 2025 in Dortmund und Köln – Festival 04/25
Amazon-Bond & beyond
007 ist zum Streaming-Start freigegeben – Vorspann 03/25
Opferbereit gegen das System
Dokumentarfilm „Algier – Hauptstadt der Revolutionäre“ im Essener KWI – Film 02/25
Früher war mehr Kino
Führung durch die Essener Ausstellung „Glückauf – Film ab!“ für trailer-Leser:innen
Aus unterschiedlichen Galaxien
Im Februar starten Biopics über Bob Dylan und Maria Callas – Vorspann 02/25
Ungeschönt aufs Leben blicken
32. blicke-Filmfestival in Bochums Endstation Kino – Film 01/25
Zwischen Helden- und Glückssuche
Die Kinotrends des Jahres – Vorspann 01/25
Schund und Vergnügen
„Guilty Christmas Pleasures: Weihnachtsfilme“ im Filmstudio Glückauf Essen – Foyer 12/24
22 Bahnen
Start: 4.9.2025
Beule – Zerlegt die Welt
Start: 11.9.2025