Als Clara (Zoe Kazan) nachts ihre Söhne ins Auto packt, tut sie, als wäre das Ganze ein Abenteuer. Dabei wissen die Jungs, dass sie vor Daddy fliehen, ein Sadist und ein Cop. In New York findet Clara unerwartet Hilfe bei anderen Versprengten – Krankenschwester Alice (Andrea Riseborough), Ex-Knacki Mark (Tahar Rahim) und Timofey (Bill Nighy), Besitzer eines russischen Lokals. Passend zum Advent erzählt Lone Scherfig in „The Kindness of Strangers – Kleine Wunder unter Fremden“ von kleinen Wundern, die möglich werden, wenn Wildfremde nach dem Prinzip Nächstenliebe handeln. Seit „Italienisch für Anfänger“ hat die Dänin tristen Realismus und Märchen nicht mehr so ausgiebig vermischt, der Grat zum Kitsch ist schmal. Aber man kann, alternativ zum Rührstück, in dem stark gespielten Ensembledrama auch etwas Schönes sehen: Hoffnung, die von ganz unten kommt.
Die schottische Midzwanzigerin Rose-Lynn (Jessie Buckley) kommt gerade aus dem Knast. Sie wohnt zunächst bei ihrer Mutter Marion (Julie Walters), die im zurückliegenden Jahr ihre beiden Kinder betreut hatte. Roses Temperamentsausbrüche macht die Jobsuche schwer, ihr Engagement als Country-Sängerin kriegt sie so jedenfalls nicht wieder zurück. Stattdessen wird sie Putzfrau bei der neureiche Susannah (Sophie Okonedo). Die erkennt Roses Gesangstalent und will sie unterstützen. Doch die Idee einer Karriere in Nashville verträgt sich nicht mit Roses Verantwortung für ihre Kinder… Tom Harpers „Wild Rose“ ist immer wieder fein gezeichnet wie ein sozialrealistisches Drama à la Mike Leigh oder Ken Loach, feiert seine Protagonistin und ihren Willen zum Erfolg aber auch in pathetischen Szenen, die nicht frei sind von Klischees.
Nachdem Quentin Dupieux („Rubber“, „Wrong“, „Reality“) kürzlich das Film Festival Cologne mit seiner neuesten Groteske „Deerskin“ beehrte, wird nun noch sein skurriles Drama „Die Wache“ von 2018 nachgereicht. Zum Glück! Hauptkommissar Buron (Benoît Poelvoorde) verhört darin auf der Polizeiwache den Verdächtigen Louis (Grégoire Ludig) zu einem Todesfall. Was als absurdes, aber noch vergleichbar geerdetes Kammerspiel beginnt, entwickelt sich zusehends zum surrealen Spiel mit Ort, Zeit und Wahrnehmung, das schräg unterhält, amüsiert – und fordert. Aber nichts anderes erwartet man ja von dem französischen Wunderkind, das sich auch hier der konventionellen Genrenarration bedient, sie genussvoll ad absurdem führt und munter mit den Ebenen spielt. Ein 73-minütiger Irrwitz.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Victor Kossakovskys hochauflösende, epische Wasser-Dokumentation „Aquarela“, Edward Nortons 50er-Jahre-Krimi „Motherless Brooklyn“, Jake Kasdans Abenteuer-Sequel „Jumanji: The Next Level“, Sophia Takals Horror-Remake „Black Christmas“ und Verena Fels' und Sandor Jesses Animationsspaß „Der kleine Rabe Socke - Suche nach dem verlorenen Schatz“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Glück gehabt?
Die Filmstarts der Woche
Klänge der Gegenwart
Konzertreihe mex im Künstlerhaus Dortmund – Musik 07/25
„Eine Welt, die aus den Fugen ist“
Kulturamtsleiter Benjamin Reissenberger über das Festival Shakespeare Inside Out in Neuss – Premiere 07/25
Schuld und Sadismus
Diskussion am KWI Essen über Lust an der Gewalt – Spezial 07/25
Der Ast, auf dem wir sitzen
Teil 1: Leitartikel – Naturschutz geht alle an – interessiert aber immer weniger
„Der Beton ist natürlich sehr dominant“
Die Kurator:innen Gertrud Peters und Johannes Raumann zu „Human Work“ in Düsseldorf – Sammlung 07/25
Chaos
NRW kürzt bei freien Tanzgruppen – Tanz in NRW 07/25
Der verhüllte Picasso
„Lamentos“ am Opernhaus Dortmund – Tanz an der Ruhr 07/25
Kinofest-Test
Lünen als Versuchslabor für die Kinozukunft – Vorspann 07/25
In der Kunstküche
„Am Tisch“ und Medienkunst im Dortmunder U – Ruhrkunst 06/25
Eine große Ausnahme
Der Pianist Alexandre Kantorow in Wuppertal – Musik 06/25
Von Shakespeare bis Biene Maja
Sommertheater in NRW – Prolog 06/25
Impossible Dortmund
Wilco im Dortmunder JunkYard – Musik 06/25
Die „Zweite Schuld“ der Justiz
Ausstellung zur NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium im Bochumer Fritz-Bauer-Forum – Ausstellung 06/25
Hab’ ich recht?
Diskussion über Identität und Wissen im KWI Essen – Spezial 06/25
Kriegstüchtig und friedfertig
Diskussion über europäische Sicherheitspolitik in Dortmund – Spezial 06/25
Lebendige Musikgeschichte
Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller in Köln – Klassik am Rhein 06/25
Der Engel der Geschichte
„Die letzten Tage der Menschheit“ an der Oper Köln – Oper in NRW 06/25
Bis zur Neige
„Der Durst“ von Thomas Dahl – Literatur 06/25
Gegen die Stille
Das 54. Moers-Festival – Musik 06/25
Women first!
Judy Chicago in Recklinghausen – Ruhrkunst 06/25
Flucht ins Metaverse
„Glühfarbe“ von Thea Mantwill – Literatur 06/25
Dem Himmel nah
Raimund Abraham auf der Raketenstation Hombroich – Kunst in NRW 06/25
Im Reich der unsichtbaren Freunde
„Solche Freunde“ von Dieter Böge – Vorlesung 06/25
Magische Momente
Cat Power im Düsseldorfer Capitol Theater – Musik 06/25