In der internationalen Klassik-Szene gelten seit Jahrhunderten die Musiker aus Böhmen oder Mähren als ganz wesentlicher Bestandteil. Kaum findet sich ein Orchester in der Welt, in dem keine tschechischen Musiker sitzen, meist an Solistenpulten, als Konzertmeister oder als Dirigenten. In Essen gebietet seit der Spielzeit 2013/14 der junge dynamische Generalmusikdirektor Tomáš Netopil über Philharmonie und Oper, ein moderner Dirigent, der nach der Probe mit seinem Orchester erfrischt wirkt wie nach dem Genuss aus einer inspirierenden Quelle. Überhaupt herrscht mitten im Ballungszentrum höchster Philharmonien-Dichte auf engstem Raum eine entspannte Atmosphäre im Hause der Philharmonie Essen: Der Start in die neue Saison wird hier mit vorgreifender Begeisterung erwartet.
trailer: Herr Netopil, der Musiker lebt besonders in heutiger Zeit vom Publikum. Wie schätzen Sie Ihre Zuhörer ein?
Tomáš Netopil: Ich denke, gerade in den letzten Spielzeiten entdecke ich neues Publikum, sehr lebendige Besucher, neben den Älteren. Das liegt auch an den vielen neuen Formaten der Konzerte. Mich begeistert unser Publikum.
Was gibt es da für neue Ideen?
Unser Hauptplan betrifft die sinfonische Reihe. Hier kommt sehr gut an, dass wir vorher eine Konzerteinführung anbieten, in unserem Falle mit dem ganzen Orchester, das dann entsprechend zu den Erläuterungen des jeweiligen Dirigenten Beispiele spielt. Das nennen wir die „Kunst des Hörens“. Und wir setzten in drei Sonntagskonzerten auf populäre Vermittler wie Götz Alsmann, das spricht junge Hörer und Familien an.
Wie steht es um die Außenwirkung des Orchesters?
Wir kommen gerade aus Amsterdam, wo wir im weltberühmten Concertgebouw gastieren durften, und wir fahren jetzt nach Prag in den legendären Konzertsaal des Rudolfinum, wo wir beim Dvorák-Festival mit einem Dvorák-Programm auftreten werden.

Tragen Sie da nicht Eulen nach Athen?
Nein, das ist eine große Herausforderung, neben der Tschechischen Philharmonie solche nationalen Werke zu interpretieren. Aber wir waren schon mal dort, und es muss gut gewesen sein – wir sind direkt noch einmal eingeladen worden.
Sie sind bekannt für ihr Engagement für Ihre Heimatkomponisten. Setzen Sie das auch in Essen um?
Selbst in der Oper setze ich da Schwerpunkte auf Mozart (zu Lebzeiten in Prag mehr gefeiert als in Wien; d. Red.) und auf slawische Musik. Und im Konzert habe ich viel Dvorák und Smetana musiziert, aber auch Josef Suk oder Bohuslav Martinů, vieles haben wir auch auf CD aufgenommen.
Feiern Sie das anstehende Beethovenjahr?
Mir ist das nicht „so“ wichtig, aber wir spielen traditionell die Neunte, das Violinkonzert mit Franz Peter Zimmermann und ein Klavierkonzert mit Rudolf Buchbinder. Das sind unsere Highlights im Beethovenjahr.
Haben Sie für Oper und Konzert einen Gesamtplan?
Wir versuchen oft auf das Opernprogramm zu reagieren, also italienische Oper, dann italienisches Repertoire.
Was sind Ihre aktuellen Produktionen in der Oper?
Zunächst die Premiere von Tschaikowskys „Pique Dame“ und später Mozarts „Figaro“, dazu Rosenkavalier (Strauss) und Freischütz (Weber), diese Oper haben wir auch auf CD produziert – auch das spricht für die Qualität des Orchesters und des Hauses. Dies vermerken auch überregionale Kritiken. Das ist ebenso wichtig wie die Resonanz auf unsere Konzertreisen.
Wie beginnt die kommende Saison?
Den Start liefern wir mit dem Debüt der Geigerin Arabella Steinbacher und dem Bruch-Konzert, dazu meine Lieblings-Sinfonie, die herrliche Siebte von Dvorák, ein sehr kompliziertes Werk, intensiv studiert auch als Vorbereitung auf den Prag-Besuch.
Gibt es besonders erwähnenswerte Aufführungen außerhalb der Abos in Essen?
Im Rahmen des Festivals NOW, einem Fest der Neuen Musik, führen wir im Oktober die Gurre-Lieder von Schönberg auf, mit drei Chören und tollen Solisten, ein großes Event.
Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?
Ich bleibe jetzt noch vier Jahre in meinem Essener Amt. Alles weitere weiß ich noch nicht.
Dvorák 7 | 5. - 6.9. 20 Uhr | Philharmonie Essen | 0201 812 22 00
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