Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.527 Beiträge zu
3.767 Filmen im Forum

Dada Masilos „The Sacrifice (Das Opfer)“ (2021)
Foto: John Hogg

Botswana statt Ballett

30. Mai 2022

„The Sacrifice (Das Opfer)“ in Recklinghausen – Tanz an der Ruhr 06/22

Nach über hundert Jahren überrascht es, weswegen die berühmte Pariser Uraufführung von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ 1913 in Tumulte und Handgemenge ausartete: Der dissonante und perkussive Rhythmus in Vaslav Nijinskys Choreografie soll es gewesen sein, der das Publikum empörte. Doch aus heutiger Sicht irritiert dagegen das Sujet, schließlich dreht sich das Ballettstück um ein archaisches Ritual, in dem eine Frau geopfert wird – zur Versöhnung mit der Natur bzw. dem Frühlingsgott.

Es schien also nur eine Frage der Zeit zu sein, dass sich die international renommierte Tänzerin Dada Masilo mit der Produktion „The Sacrifice (Das Opfer)“ dieser primitiven Episode der europäischen Bühnengeschichte widmet. Oder vielmehr abwendet: Denn die im Juli 2021 beim Impuls-Festival Wien uraufgeführte Choreografie erforscht die Tänze und Rituale Botswanas. Und Masilo ist ebenso dafür bekannt, Geschlechterrollen zu hinterfragen.

Masilo demonstrierte bereits in ihrer Adaption von Tschaikowskis „Schwanensee“, wie sich die im Ballett üblichen Positionen wie der Pas de deux überwinden lassen. Mit eingestreuten Elementen der afrikanischen Tanztradition unterwanderte die in einem Township von Johannesburg aufgewachsene Künstlerin die westliche Hochkultur: Im „Schwanensee“ verdrängte etwa ein befreites Bodenstampfen die klassische Arabeske, eine Körperhaltung, in der Tänzer:innen die Fersen nach oben richten, um auf den Fußspitzen zu ziselieren.

Auch in dem in „The Sacrifice (Das Opfer)“ erprobten Botswana Dance ist es so, dass die Akteure expressiv auf den Sohlen tanzen. Ohnehin verzichtet Masilo darauf, mit den elf Tänzer:innen ihres Johannesburger Ensembles Strawinskys Ritual zu reproduzieren. Stattdessen geht es um eine Befreiung der Frau aus der dargestellten Opferrolle. Die Ausgangsfrage ihrer aktuellen Produktion lautet vielmehr, was wir im alltäglichen Leben opfern.

Dass Masilo ihre Aufführung während der Pandemie entwickelte, sorgte für eine Fokusverschiebung: Ursprünglich wollte die südafrikanische Choreografin die Strawinsky-Vorlage als eine düstere Auseinandersetzung mit Macht und Gewalt aufgreifen. Am Ende wurde es ein Reigen über Schönheit und Trauer.

The Sacrifice (Das Opfer) | R: Dada Masilo | 4., 5., 6.6. | Ruhrfestspielhaus Kleines Haus Recklinghausen | 02361 91 80

Benjamin Trilling

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

The Nun 2

Lesen Sie dazu auch:

Kinshasa und Köln
„absence#4“ im Barnes Crossing – Tanz in NRW 09/23

Dem Horror entfliehen
„The Visitors“ bei der Ruhrtriennale – Tanz an der Ruhr 09/23

Den Nerv der Zeit erkannt
Screen Dance Academy #3 in Wuppertal – Festival 08/23

Tänzerinnen als „bad feminist“
tanz.tausch in Köln – Tanz in NRW 08/23

Den Blick weiten
Internationales Tanz-Netzwerk Studiotrade – Tanz in NRW 07/23

Die Qualität der Langsamkeit
„Precarious Moves“ beim asphalt.Festival – Tanz an der Ruhr 07/23

Visionen, Mut und Fleiß
Rund zehn Jahre Kölner Tanzfaktur – Tanz in NRW 06/23

Einblick in die Imaginationsmaschinerie
„A Day is a Hundred Years“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 06/23

Ruhrpott als Hiphop-Heimat
Neues Urban Arts Ensemble Ruhr von Pottporus e.V. – Tanz an der Ruhr 06/23

Gaga goes Recklinghausen
„Soul Chain“ bei den Ruhrfestspielen – Tanz an der Ruhr 05/23

Dialoge der Körper
SoloDuo Tanzfestival in Köln – Tanz in NRW 05/23

Die Krux mit dem Körper
Festival tanz nrw 23 – Festival 05/23

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!