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Krimis mit politischer Tiefenschärfe: Horst Eckert
Foto: Ulrich Schröder

Räsonverlust in Zeiten von NSU und G8

27. Oktober 2016

Literarisches aus Bochum, Dortmund, Gladbeck und Hagen – Lesezeichen 11/16

Politsatirische Akzente setzte der Düsseldorfer Krimi-Autor Horst Eckert am 4.10. mit einem subversiven Kurzkrimi im Hagener Kulturzentrum Pelmke aus der aktuellen „Mord am Hellweg“-Anthologie „Glaube. Liebe. Leichenschau“ (Grafit 2016). Bei seiner Lesung im Rahmen des bis zum 12.11. fortdauernden Festivals stellte er zudem seinen 2016 erschienenen NSU-Krimi „Wolfsspinne“ (Rowohlt 2016) vor. Eckert findet es „höchst zweifelhaft“, dass an der dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zugeschriebenen Mordserie in den Jahren 2000 bis 2006 nur drei Personen beteiligt gewesen seien. Auch stellt Eckert die dubiose Rolle des Verfassungsschutzes infrage und ob es sich beim Tod der NSU-Täter Böhnhardt und Mundlos 2011 in Eisenach um einen Doppelsuizid gehandelt habe...

Eine neue Lesereihe mit AutorInnen aus der Ruhr-Region hat das Literaturhaus Dortmund gestartet: Den Auftakt markierte der Essener Newcomer-Autor Yared Schneider, als er am 7.10. sein Buch-Debüt „Der lose Knopf“ präsentierte. Dort hält der 18-Jährige einer überforderten Schüler- und Elterngeneration in Zeiten des ‚G8‘-Turbo-Abiturs den Spiegel vor. Die permanente Überforderung der ‚Generation G8‘ macht Schneider auch als Ursache für die Ausbreitung von Depressionen unter Jugendlichen aus sowie für oftmals gegen sich selbst gerichtete Gewalt.

Auch andernorts ist die Ruhr-Literaturszene in Bewegung: Gleich drei Buch-Debüts wurden am 5. und 10.10. im Freibeuter Bochum sowie im Gladbecker Café Stilbruch vorgestellt. Die Wittener Autorin und Musikerin Jaana Redflower stellte bei einem ‚Lesezert‘ in Gladbeck ihre neue Blues-Rock-CD sowie ihren Roman-Erstling „Jorge, Pinguin im Kopf“ (Paashaas 2016) vor. Den phantastischen Horror-Plot prägt der mentale Super-GAU des Protagonisten Per, dessen Handeln plötzlich fremdbestimmt wird: Ein Pinguin, der aus der Hölle kam, um auf der Erde ein Blutbad anzustiften, teleportiert sich in Pers Gehirn und macht ihn zum Serienkiller…

Philosophisch inspiriert sind auch die Debüt-Romane von Tim Szlafmyca und Caroline Königs, beide aktiv bei der Gruppe „Treibgut – Literatur von der Ruhr“. Auch bei Königs geht es um mentale Fremdsteuerung: In „Die verlorene Räson“ (Ruhrliteratur 2015) skizziert sie eine apokalyptische Phantasiewelt, in der die AkteurInnen in einem mentalen Schachspiel mit lebendigen Figuren wie Marionetten an den Gedankenfäden der Protagonistin hängen. Offen bleibt, was hierbei „die oberste, die wahre Welt in ihrem Gehirn“ sei.

Lakonisch-entspannt geht es in Szlafmycas Slacker-Roman „Die Relativität der Gleichzeitigkeit“ (BoD Norderstedt 2016) zu: „Wir waren die Kaputten in der kaputten Welt, also möglicherweise die ultimative Perfektion.“ Der Ich-Erzähler nimmt uns mit auf eine humorvoll-emphatisch geschilderte existenzphilosophische Reise durch den urbanen Raum mit Bochum-Kolorit, auf die Suche nach der großen Liebe, an die es zu glauben gilt – denn nur dann macht der paradoxale Unsinn des Universums Sinn!

Literaturszene im Ruhrgebiet:  http://www.literaturhaus-dortmund.de

ULRICH SCHRÖDER

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