Sitting in the Dschungel
On Nürnberger Straße
A man lost in time near KaDeWe
Just walking the dead (Bowie)
Es schneit. Wilder Wind treibt die kleinen weißen Flocken auseinander, mal hierhin, mal dahin. Gut, jetzt in der Stube hinter der Doppelverglasung zu sitzen und dem sonoren Röhren der Kühlung meines alten Laptops zu lauschen. Draußen huschen Vögel vorbei. Heimische Meisen und die ollen Tauben, die sich auf alles Essbare auf dem Balkon stürzen, es wegpicken und scheinbar zeitgleich verdauen. Gerade habe ich die aktuelle Rote Liste des Deutschen Kulturrates (www.kulturrat.de) überflogen, da geht es nicht um aussterbende Tiere oder Pflanzen, sondern seit Sommer letzten Jahres um bundesdeutsche Kultureinrichtungen, die um ihr Überleben kämpfen. Unser Bundesland ist auf jeder dieser Listen präsent. Auf der ersten stand dieNordwestdeutsche Philharmonie in Herford. Siewird in den nächsten drei Jahren von 18 Kreisen und Kommunen in Ostwestfalen-Lippe finanziell unterstützt und scheint gerettet. Auf der letzten Liste steht das Theater in Hagen, dessen Finanzierung nicht mehr sicher sein soll. Auch hier wird wohl eine Lösung gefunden. Eine Stadt, die als erste Kommune in NRW nun ein Kommunales Integrationszentrum hat – sie hat ihre Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) gerade dahingehend umgewandelt –, wird auch für den integrativen Musentempel eine Lösung finden, zumindest auf Zeit. Das hat nämlich Modellcharakter. Die Kommunen versuchen, sich vor der Finanzierung ihrer einstigen Aushängeschilder zu drücken, das ist in der Künstlersiedlung Halfmannshof in Gelsenkirchen nicht anders als im Dokumentationszentrum DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt.
Es ist eben nicht leicht, diese Zeiten ungeschützt und unverletzt zu überstehen. Am Geld scheint es nicht zu liegen: Ab August haben Eltern einen rechtlichen Anspruch auf einen Kita-Platz. Nach neuesten Schätzungen fehlen aber noch hunderttausende Plätze. Die Kommunen rechnen deshalb mit einer Klagewelle. Tolle Strategie. Der Essener ThyssenKrupp-Konzern versenkt in einem Jahr fünf Milliarden Euro. Der Konzernwandel hat irgendwie nicht funktioniert, jetzt macht man einen Salto rückwärts und trennt sich „im Zuge der strategischen Weiterentwicklung“ (gröhl) von seinen Stahl- und Weiterverarbeitungswerken in Brasilien und den USA sowie seinem Edelstahl- und Hochleistungswerkstoff-Geschäft. Tolles Management. Dazu passt diese Meldung: Zur Eröffnung der Wassersportmesse boot hat NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) die Bedeutung der Freizeitwirtschaft hervorgehoben. Diese Branche habe in Nordrhein-Westfalen inzwischen mehr Beschäftigte als der Montanbereich, sagte er und kündigte an, dass das Land mit seinen Wassersportregionen im nächsten Jahr selbst Aussteller auf der Messe werden wolle. Bleiben Sie ruhig. Wenn Sie das lesen, sind auch im östlichen Ruhrgebiet die Narren in den Festsälen und auf den Straßen unterwegs. Ob Gänsereiten in Wattenscheid oder der Dortmunder Rosenmontagszug – Deppen und Alkoholiker gibt es natürlich auch überall.
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