100 Jahre Museumskunst in Essen! Angemessen exquisit feiert das Folkwang Museum mit französischem Impressionismus – dem Stil, mit dem Karl Ernst Osthaus (1874–1921) seine Sammlung zeitgenössischer Kunst begründete. Renoirs „Lise mit Sonnenschirm“ war 1901 sein erster Ankauf, Lises strahlendweißes Kleid ist noch heute ein Highlight der dauerhaften Sammlungspräsentation in Essen. Um die bekannten Meisterwerke zu ergänzen, lud man rund 60 Gäste aus Tokio ein: Werke aus der Impressionisten-Sammlung eines Bruders im Geiste Osthaus’ vom anderen Ende der Welt. Den japanischen Unternehmer Kōjirō Matsukata (1866–1950) verband mit dem Hagener Industriellenerben die Begeisterung für europäische Freiluftmalerei, die in flirrenden Farben den flüchtigen Augenblick auf der Leinwand bannte.
Gewiefter Geschäftsmann der eine, visionärer Schöngeist der andere – beide waren sie Globetrotter und Kunstmäzene, die in ihrer Heimat öffentliche Museen für Gegenwartskunst planten. Nur Osthaus ist dies mit dem Hagener Folkwang Museum geglückt. Nach seinem frühen Tod ging seine komplette Sammlung nach Essen. Und da wären wir – 100 Jahre später. Die Bilder und Skulpturen, die einst als „unfertig“ verschrien Entrüstungsstürme auslösten, empfinden wir heute als schön.
Um Bildästhetik geht es vorrangig in der Jubiläumsausstellung, um kontemplatives Sehen und Schwelgen. Luftig gehängt, treten die Hauptwerke aus beiden Sammlungen in den Dialog, unspektakulär ohne viel Beiwerk. Bild für Bild für Bild gilt es, rund 120 Arbeiten von 25 Malern neu- oder wiederzuentdecken, skulptural bereichert durch Rodins „Höllenpforte“. Für Fans der Klassischen Moderne ein Muss und Fest.
Doch was nur bewog das Kuratoren-Team, in den zentralen Ausstellungssaal, der „ein 360-Grad-Landschaftspanorama“ entfalten soll, eine raumgreifende, grell ausgeleuchtete Deckeninstallation aus roten Fäden und Zetteln mit Zukunftswünschen von Ausstellungsbesuchern zu klotzen, die auf Kunstkurs-Niveau sämtliche Konzentration von Monets, Courbets und Daubignys Kleinformaten abzieht? Zum Glück trösten poetische Videoinstallationen der zweiten jungen japanischen Künstlerin, Tabaimo, mit denen man die Klassiker-Männerriege wohl würzen wollte, über den Missgriff im Zentrum hinweg.
Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt | bis 15.5. | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 51 60
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