Der European Song Contest-erprobte Sebastian Tellier knüpft mit dem Album „Confection“ an sein Stück „La Ritournelle“ von 2005 an. Er hat mit denselben Musikern wie damals gearbeitet – der Sound ist orchestral und dezent schmalzig und klingt wie eine Hommage an französische Liebesfilme der 70er Jahre. Also irgendwie peinlich, aber auch schön (Record Makers). Erklärte Vorbilder von Vex Ruffin sind elektronische New Wave-Bands wie Suicide oder Cabaret Voltaire und anderer Post Punk-Minimalismus der frühen 80er Jahre. Entsprechend kühl und holprig ist sein selbstbetiteltes Debütalbum, das außerdem mit verrauschtem Sound betont schnoddrig und skizzenhaft wirkt (Stones Throw). DJ Rashad macht Chicago Footwork / Juke, also minimalistischen, kantig und billig klingenden Ghetto House mit tiefen Bässen. Rashads Album „Double Cup“ kommt zunächst etwas softer mit souligen Loopcollagen, um dann aber doch immer wieder scharfe Geschosse abzufeuern (Hyperdub). Kid 606 hat auf „Happiness“ Erbarmen mit uns: Einerseits ist seine Hommage an Soft Rock natürlich kein digitales Geschredder, wie man es auch von ihm kennt. Andererseits klingt das natürlich nicht nach Soft Rock, sondern mit ein wenig Gerappel zwischen dem Schönklang unsoft beglückend (Tigerbeat6).
„Songs of Gastarbeiter Vol.1“ gräbt, wo noch keiner gegraben hat: Platten- und Kassettensammlungen von türkischen Einwanderern der ersten Generation offenbaren, dass es hierzulande in den 80er Jahren eine türkische Musikszene gab, die teils sogar auf Deutsch den schweren Alltag als hiesiger Ausländer besang. Musikalisch schlagen einem wilde Arabesken entgegen. Großartige Compilation, weitere zum Thema sollen folgen (Trikont). Das Thema Musik der Migranten scheint eh gerade in der Luft zu liegen: Die CD „Heimatlieder aus Deutschland“ geht auf eine Veranstaltung in der Komischen Oper Berlin vom 10. Juni zurück. Dort spielten in Deutschland lebende Musiker aus aller Welt Lieder aus ihrer Heimat. Portugiesischen Fado und serbische Vokalmusik, afrikanische Sounds und asiatische wie arabische Stücke vereint die CD (Run United). Mit „New German Ethnic Music“ erscheint außerdem eine Remix-CD mit clubtauglichen Versionen von Musikern mit Migrationshintergrund wie Eric D. Clark, Khan, Matias Aguayo, Thomas Mahmoud und anderen. Und plötzlich tanzt der koreanische Chor, und dalmatische Gesänge finden einen Beat (Karaoke Kalk).
„Who is William Onyeabor?“ Tja, das würde so manch einer gerne wissen. Aber auch die gleichnamige Compilation beantwortet das nur vage. Sehr detailliert erfährt man hingegen, wie William Onyeabor klingt bzw. klang. Der Mann aus Nigeria hat zwischen 1977 und 1985 nicht nur amtlichen Afro-Funk gemacht, der Keyboard-Fan war auch ein Wizard im Studio und hat verrückten Afro-Electro gebastelt oder mit wahnwitzigen Gitarrenloops seine hypnotischen Tracks erzittern lassen. Nicht umsonst sind Four Tet, Calibou, Damon Albarn u.v.a. Fans. Heute ist er Geschäftsmann und schweigt zu seiner musikalischen Vergangenheit (Luaka Bop). Die Tuareg-Band Tamikrest aus Mali versucht, sich von dem großen Bruder, der Band Tinariwen, freizuspielen. Auf dem dritten Album „Chatma“ preisen sie die Stärke der Frau, musikalisch pflegen sie ihren verzerrten afrikanischen Wüstenrock mit den typischen malinesischen Gesangslinien. Wenn sie sich an westlichen Bands orientieren – beispielsweise Pink Floyd – wird ihre Musik leider gleich weniger zwingend (Glitterbeat).
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