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Roadworks: My Love, London 1978
© Paul McCartney/Fotografin Linda McCartney/Courtesy Sammlung Reichelt und Brockmann

„Sie hatte das Talent, die Leute zu lösen“

29. Januar 2020

Museumschefin Christine Vogt zur Ausstellung über Linda McCartney – Sammlung 01/20

trailer: Frau Vogt, die Ausstellung heißt: Linda McCartney „The Sixties and more“ – werden etwa auch ihre vegetarische Kochbücher präsentiert?

Christine Vogt: In einer Vitrine muss man das schon mal thematisieren, wenn es um das Biografische geht. Sie war ja sogar mal mit Paul zusammen bei den Simpsons eingeladen, da ging es auch um Vegetarier.

Die Ausstellung zeigt, ich zitiere: „einen ergänzenden Einblick in die Zeit von Sex, Drugs and Rock'n'Roll“. Ist diese Zeit denn schon vorbei?

Das würde ich schon so sagen. Seit den 1960ern hat sich viel verändert. Was man auch auf den Fotos sieht: Es ist eine Zeit, wo sich wirklich was Neues aufgetan hat. Es ist die Zeit, wo sich auch die Beatles, um da einen der Hauptprotagonisten zu nennen, vom „Brave Jungen“-Image zu den Langhaarigen entwickelten, psychedelische Musik kommt, und Drogen spielen da eine ganz andere Rolle als noch in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Das hat dann auch ein Ende, so um 1970, als Janis Joplin und Jimi Hendrix sterben. Zentrale Figuren sind auf einmal nicht mehr da. Das ist schon eine komprimierte Zeit, diese drei Jahre, um die es im Kern in der Fotografie von Linda McCartney hauptsächlich geht, nämlich die Jahre von 1966 bis 1969.

Was ist das Besondere an der Fotografie von Linda McCartney, jenseits des Dokumentarischen, auch wenn man mal den Promi- bzw. Insiderstatus weglässt?

Dr. Christine Vogt
Foto: Axel Scherer
Zur Person:
Dr. Christine Vogt ist seit 2008 Leiterin der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen. Sie studierte in Aachen Kunstgeschichte, Geschichte, Baugeschichte und Politische Wissenschaft. Nach ihrer Promotion wurde sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Suermondt-Ludwig-Museum Aachen.

Sie lernt Paul McCartney ja erst richtig 1968 kennen, 1969 heiraten sie und dann ist ihre Karriere als Fotografin beendet. Die Fotos, die wir zeigen, entstehen vor dem Kennenlernen und Insidertum durch und mit Paul McCartney. Sie ist von Anfang an in der Szene drin und aus meiner Sicht ist diese Nähe das wirklich Besondere an ihren Bildern. Man hat immer das Gefühl nicht auf Abstand mit den Stars zu sein, sondern nahe dran, es ist wirklich Normalität, die gezeigt wird. Jimi Hendrix, der gähnt – man sieht, die sind alle entspannt. Es ist einfach so, dass dieses blonde Mädchen mit der Kamera einfach mit dabei ist und Fotos macht und gar nicht beachtet wird. Es ist keine Situation, als müsse jetzt ein Cover für dieses und jenes Magazin gemacht werden und jeder müsse posieren. Sie hat das Talent gehabt, die Leute zu lösen, wenn man das so sagen will. Und das ist auch der Grund, warum sie von Anfang an so erfolgreich ist.

Das heißt, es ist eher so halbdokumentarische Porträtfotografie oder hat sie auch Interesse an Gestaltung oder Inszenieren?

Photoshop gab es ja noch nicht. Linda McCartney hat mit Technik nichts zu tun – das sagt sie auch selbst. Sie ist Autodidaktin, sie hat mal einen Kurs gemacht, selber Kunstgeschichte studiert. Sie gehört schon zu den Fotografinnen, die einen sehr guten Blick haben und die, weil sie eben keine Lust auf Blitz und Scheinwerfer hatte, mit den Leuten irgendwohin gegangen ist, wo es normalerweise eine besondere Beleuchtung gab. Es gibt viele Fotos, die im Central Park oder sonst irgendwo draußen gemacht wurden, dann gibt es Fotos, wo sie dazu schreibt, dann habe ich die drei gebeten, in dem Büro auf den Tisch zu klettern, weil darüber eine Lichtquelle war. Das hat sie so angelegt, die sind technisch nicht bearbeitet worden. Von ganz vielen Sujets gibt es auch nur ein oder zwei Bilder. Da wurde nicht erstmal ein ganzer Film durchgehauen wie bei den Modeshootings. Linda McCartney schaut und drückt wie Henry Cartier-Bresson im richtigen Moment ab.

Was hat es denn mit diesen Roadworks und den angekündigten experimentellen Sunprints auf sich?

Nachdem sie mit Paul McCartney verheiratet war, war sie ein öffentlicher Mensch und konnte ihre Fotografien nicht mehr so machen. Interessanterweise ist sie der einzige Mensch ever, der für das Cover des Rolling Stone Magazine ein Foto geliefert hat und auch mit Paul zusammen selber oben drauf war. Ihr Status hatte sich verändert. Sie sind viel gereist, und sie hat immer ihre Kamera mitgenommen. Sie hat auch aus dem Auto heraus oder auch beim Reiten – sie war eine sehr gute Reiterin – Fotos gemacht. Wenn sie „on the road“ waren, hat sie die auch Roadworks genannt. Die Sunprints sind was Experimentelles, da werden die Fotos durch Sonnenlicht entwickelt. Das hat sie beschrieben, dass sie das sehr gerne macht, weil man das zuhause machen kann, weil man keine Dunkelkammer braucht. Und, um nochmal auf die Kochbücher zu kommen, sie hat mal gesagt, das sei ein bisschen wie ein Kuchen zusammengemischt.

Linda McCartney: The Sixties and more | 19.1. - 3.5. | Ludwiggalerie Schloss Oberhausen | 0208 412 49 28

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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