Ein Achtkubikmeterwürfel füllt die Amtsstube fast vollständig, seine Stahlleisten mit einer Netzstruktur aus schwarzen Strumpfhosen bespannt bilden darin einen zweiten Raum. Die Bochumer Künstlerin Monika Ortmann hinterfragt so die Position des Einzelnen im Raum und die damit verbundene eigenen Bewegungsfreiheiten. „database“ heißt die Rauminstallation, eine Etage höher sind weitere Nylon-Systeme der weltweit aktiven Künstlerin zu erkunden. Hier führen Berührungen sogar zu akustischen Erlebnissen, weil Wolfram Lakaszus die Installation mit Leitungen und einem Soundsystem versehen hat.
Überhaupt ist es erst einmal ungewöhnlich, Kunst im ehemaligen Bochumer Bullenkloster zu zeigen. So bissig liebevoll hieß in der Stadt das Polizeiareal am Fußballstadion, von wo die Bereitschaftspolizei auch mal in Hundertschaften ausrückte, um kulturlose Demonstranten zur Ordnung zu rufen. Jetzt haben dort Künstler drei Dutzend Räume besetzt und okkupieren damit auch die ehemalige Nutzung des 1,7 Hektar-Geländes mit Sportanlage und inzwischen überwuchertem Grillplatz.
Die Ausstellung ist so abwechslungsreich, dass Bochums Museumschef Hans Günter Golinski bei der Eröffnung behauptete, dass es so etwas in Bochum noch nicht gegeben habe. Also rein in die „gute Stube“ der Gesetzeshüter. Erste Wahlmöglichkeit: rauf oder runter. Polizeikeller haben immer so etwas Rohes an sich – also rauf. Merkwürdige Käfer füllen dort zwei ganze Räume. Spanner nennt die Künstlerin Ilse Hilpert diese Wesen aus allerlei Wegwerfmaterial. In ihrer Installation „Zwischenzeit jedem Anfang wohnt ein Ende inne“ hat sie mit diesen seelenlosen Wesen das Leben an sich dargestellt. Und es lebt, gleich beim Betreten des Raumes zittert ein großer Spanner los, manch einer erschrickt, viele sind überrascht. Auch über die unzähligen grünen „Kulturfrösche“ von Silvia Szlapka ein paar Meter weiter.
Das Projekt „Starke Orte“ ist Bestandteil der Reihe „Urbane Räume – Interventionen 2013“. 17 Künstlervereinigungen des Ruhrgebiets haben sich hier, auch als Nachfolgeprojekt der RUHR.2010-Geschichte, zusammengeschlossen und bespielen vier Orte, die eigentlich ihre Funktion verloren haben. In Dortmund ist das beispielsweise das ehemalige Museum am Ostwall.
Überall ist man auf der Suche nach einer neuen Nutzung. Gerne auch kulturbezogen. Auch Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) war jedenfalls von der Ausstellung „Zwischenraumzwischenzeit“ begeistert, zeige sie doch, „welche Möglichkeiten es auf diesem Gelände geben würde“. Doch wie immer stehen die klammen Finanzen der Kommune einer schnellen Umnutzung im Wege.
Steigen wir doch noch einmal in den dunklen Keller des Gebäudes, wo Gabriele Elger mit fluoreszierendem Licht (Schwarzlicht) arbeitet, mit dessen Hilfe sie die Ordnung eines Bildes an der Wand bis ins Chaos verändert. Anschließend noch ein Eis mit Balsamico-Essig:Ende des Monats spielt das Landespolizeiorchester NRW unter der Leitung von Scott Lawton dort Krimi-Musik.
„Zwischenraumzwischenzeit“ I bis 14.7. I Ehemaliges Polizeigebäude Bochum
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