Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28

12.557 Beiträge zu
3.787 Filmen im Forum

Henning Strassburger, Ausstellungsansicht Neue Galerie Gladbeck © H. Strassburger
Foto: Winfried Fichtner

Jeder weiß es

23. Februar 2017

Henning Strassburger in der Neuen Galerie in Gladbeck – kunst & gut 03/17

Was ist Malerei heute? Wie ein roter Faden ziehen sich die Überlegungen zu ihrer Aktualität und Einzigartigkeit und zu der Vermittlung zeitgenössischer Inhalte durch das Programm der Neuen Galerie Gladbeck. Die Konsequenz, mit der die Gladbecker „Macher“ Gerd Weggel und Jens Dornheim dies ausloten, wird längst bundesweit beachtet. In der Neuen Galerie stellen kommende Stars ebenso wie etablierte Künstler aus und malen noch speziell auf diesen Ort hin.

Das trifft nun auch auf die Schau mit Henning Strassburger zu. Strassburger wurde 1983 in Meißen geboren, heute lebt er in Berlin. Er hat bei Daniel Richter an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg und bei Albert Oehlen an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert. Seine eigene Malerei scheint gegenstandsfrei, geht aber von konkreten Ereignissen aus. Strassburger untersucht, inwieweit heutige (visuelle) Dokumentation mit den Mitteln der Malerei mit dem Informationsfluss der digitalen Medien Schritt hält. Ein Sujet ist der Starkult mit der Legendenbildung mittels rasanter Verbreitung. Diese gesellschaftlich sanktionierten Nachrichten unterhalb jeder wirklichen Interessantheit sind schnell verschlissen, hysterisch und zugleich fragil ….

Sie bilden nun auch den Kontext von Henning Strassburgers neuer Bilderserie. Wenig ist zu sehen, nur Linien, Bögen und Strichfolgen in tiefem Schwarz auf weißem Grund, also ganz ohne Buntfarbe. Auch wenn sie jeweils für sich „funktionieren“, so gehören die neun Tafeln zusammen. Sie verweisen selbst in den Lineamenten aufeinander. Diese wirken in der Präzision ihrer Wiederkehr wie gedruckt, sind aber von Hand gezogen. Es macht Spaß, sich in diese nur anfänglich spröde wirkende Formensprache „einzulesen“, die etwas Comichaftes trägt und einen geradezu plastischen Bildraum erzeugt. Wie Henning Strassburger berichtet, standen zwei Pop-Skandale von globaler Wichtigtuerei am Anfang: die Kussszenen der Pop-Queens Madonna und Britney Spears bei den MTV Music Awards und von Justin Bieber in einem Stripclub. Das erste ist theatralisch inszeniert und das zweite ein „Fake“ der „sozialen Medien“. Die Falschmeldung führt zur Konstruktion von Information. Wie aber übersetzt man das aufgebauscht Profane, dessen Kanäle suggerieren, es sei wichtig und jeder sei dabei gewesen, in eine differenzierende Zeichensprache?

Henning Strassburger hat zu beiden „Ereignissen“ je eine Kohlezeichnung angefertigt. Diese hat er auseinander geschnitten, zueinander collagiert, in wechselnder Positionierung auf die Leinwände projiziert und einzelne Linien mit schwarzer Ölfarbe fixiert. Aus der Nähe sieht man, dass es sich bei den Strichen, Zacken, Verdichtungen tatsächlich um Malerei handelt: als Thema in Variation im Zwischenbereich von Gegenständlichkeit und Abstraktion.

Nebenan, im Lesezimmer, zeigt Henning Strassburger dann, was man bei diesen großformatigen Gemälden gerade nicht sieht. Alles ist anders! Die Formate sind klein, die Darstellungen bunt und realistisch, so dass die Malerei nun wirkt, als wäre sie keine, jedenfalls nicht seine. Strassburger hat die Cover von Jugend-Magazinen vergrößert auf Leinwand abgepinselt, dabei nur die Textzeilen weggelassen. Nun liegt es am Betrachter, die Motive zu werten und ihre Stereotypen etwa bei der Frisur, der Kleidung und dem Auftreten der abgebildeten Teenie-Bands zu destillieren. Diese schrägen Malereien wirken wie ein Schlüssel zum Verständnis der neuen Serie.

Und dann stellt sich hier, in Gladbeck, noch eine weitere Referenz ein, und zwar zu André Butzer, der im vergangenen Jahr in der Neuen Galerie ausgestellt hat. Die Serien der beiden Künstler verbindet die Ausschließlichkeit von hell, licht und dunkel, die (vermeintliche) Wiederkehr freier Formen, die ausgesprochen malerisch vorgetragen sind und irritieren, aber formal ausbalanciert sind und die Bildfläche zum Schwingen bringen. Das alles ist hoch spannend und die Wahrnehmung anregend. Zu sehen einmal mehr in der Neuen Galerie Gladbeck.

„Henning Strassburger – Meditations in an Emergency“ | bis 24.3. | Neue Galerie Gladbeck | www.neue-galerie-gladbeck.de

Thomas Hirsch

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Abigail

Lesen Sie dazu auch:

Ins Blaue
„Planet Ozean“ im Gasometer Oberhausen – Ruhrkunst 04/24

Wege der Vermittlung
Radtouren auf dem Emscherkunstweg

Neues aus der Kunstszene
Discovery Art Fair in Köln

Einfach mal anders
Das stARTfestival der Bayer AG in Leverkusen geht eigene Wege – Festival 04/24

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Diplomatie kreativ
Ingo Günther im Kunstverein Ruhr in Essen – Ruhrkunst 02/24

Zur Liebe
„love/love“im Künstlerhaus Dortmund – Ruhrkunst 09/23

Kunst und Umgebung
„Produktive Räume“ in Haus Lange Haus Esters in Krefeld – Kunst in NRW 08/23

Kunst kommt zum Publikum
bobiennale vom 11 bis 21. Mai in Bochum – Festival 05/23

Draußen, immer
Ein Skulpturenprojekt in Monheim – Kunst in NRW 02/23

Forschungsstation Zivilisation
Andrea Zittel im Haus Esters Krefeld – Kunst in NRW 12/22

Junge Schwarze Formensprache
Dozie Kanu im Neuen Essener Kunstverein – Ruhrkunst 11/22

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!