Wie allseits bekannt, funktioniert der Kapitalismus wie ein gigantisches Schwarzes Loch. Alles, was eigentlich nicht Schwarzes Loch ist, was vielleicht sogar sein genaues Gegenteil wäre, wird irgendwann einfach absorbiert, all seiner Eigenschaften beraubt und unwiederbringlich selbst Teil des Schwarzen Loches – womit das Problem, zumindest aus Sicht des Kapitalismus, erledigt wäre. In der Praxis heißt das: Jede Gegenbewegung, jede Subkultur, ja die Kritik am Kapitalismus selbst, wird irgendwann vereinnahmt, gespiegelt und dann selbst als erfolgreiches Produkt vermarktet.
Das ist einerseits eine erschreckende Botschaft, bedeutet es doch, dass wir uns – um mit Adorno zu sprechen – in einem unauflösbaren Verblendungszusammenhang befinden, in dem es nicht einmal mehr einen Ausweg mittels Subversion oder Gegenkultur gibt. Andererseits aber sind das eben auch allerbeste Nachrichten für den Konsumenten, schließlich bekommt er auf diesem Wege das Beste beider Welten im Doppelpack. Hat sich das System erst einmal hinreichend viele Gegenströmungen einverleibt, laufen Motor und Mythos von alleine.
Am deutlichsten konnte man diese raffinierte Spielart des Kapitalismus ja schon immer im Bereich der Popmusik ablesen. Jede noch so subversive Gattung von Rock’n’Roll bis Punk wurde von der Kulturindustrie begierig aufgesogen und in noch viel schillerndere Verpackungen gestopft. Soweit so bekannt – die angebliche Gut und Böse-Dichotomie zwischen Subkultur und Kulturindustrie war schon immer Teil eines verführerischen Zaubers, der das Produkt erst dauerhaft begehrenswert bleiben ließ. Der Markt gehorcht eben nicht einem vermeintlich naiven Konformismus, sein Stichwortgeber ist die Rebellion. Jeder Subversionsmythos ist heute eine gut verkäufliche Ware, die Distinktions- oder gar Erkenntnisgewinne für die Masse suggeriert, sich dabei aber nicht von anderen Waren unterscheidet. Oder anders gesagt: „Das Unbehagen und die Revolte sind seit jeher die nobelsten Produkte des Kapitalismus“, wie der Österreichische Journalist und Schriftsteller Robert Misik einmal schrieb. Auch im Kino lässt sich derzeit mit nichts verlässlicher Kasse machen als mit vermeintlicher Systemkritik und Ironie – erfolgreiche Filme des letzten Jahres wie „The Lego Movie“, „The Purge: Anarchy“ oder „22 Jump Street“ sind dafür erschreckende Indikatoren. Die angebliche Subversion im Sujet treibt das Spiel mit der Vermarktbarkeit nur eine Stufe weiter, oder wie Iris Alanyali in der WELT über erstgenannten Film schrieb: „Verpacke die Konsumgüter mit Ironie, und schon geht auch der kritische Konsument mit gutem Gewissen groß einkaufen.“
Am Ende aber bleibt natürlich alles, wie es ist, und für wen ironisch verpackte Selbstkritik nichts ist, der kann stattdessen Fairtrade-Produkte kaufen oder sich direkt an Manufactum wenden. Dort gibt es das Taschenmesser aus Damaszener Stahl mit Mooreichen-Griff für 368 Euro.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: choices.de/thema und engels-kultur.de/thema
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen?
Als unabhängiges und kostenloses Medium ohne paywall brauchen wir die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser. Wenn Sie unseren verantwortlichen Journalismus finanziell (einmalig oder monatlich) unterstützen möchten, klicken Sie bitte hier.
Vertrauen ist gut, Kontrolle besser
Bio: ein Buch mit 1000 Siegeln – THEMA 01/17 BIOKOST
Ohne Wachstum nix los?
„Wachstumskritik als Kapitalismuskritik“ am 11.3. im Bahnhof Langendreer
Mehr als Jutetaschen und Müllrecycling
Stille Revolution durch strategische Konsumenten – THEMA 02/15 KONSUM
„Ich vermisse nichts“
Lisa Pfleger über das „Experiment Selbstversorgung“ und gelebte Konsumkritik – Thema 02/15 Konsum
Branchenprobleme
Intro – Gut informiert
An den wahren Problemen vorbei
Teil 1: Leitartikel – Journalismus vernachlässigt die Sorgen und Nöte von Millionen Menschen
„Das Gefühl, Berichterstattung habe mit dem Alltag wenig zu tun“
Teil 1: Interview – Medienwissenschaftlerin Marlis Prinzing über Haltung und Objektivität im Journalismus
Von lokal bis viral
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Landesanstalt für Medien NRW fördert Medienvielfalt
Teuer errungen
Teil 2: Leitartikel – Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss bleiben – und besser werden
„Die Sender sind immer politisch beeinflusst“
Teil 2: Interview – Medienforscher Christoph Classen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Aus den Regionen
Teil 2: Lokale Initiativen – Das WDR-Landesstudio Köln
Journalismus im Teufelskreis
Teil 3: Leitartikel – Wie die Presse sich selbst auffrisst
„Nicht das Verteilen von Papier, sondern Journalismus fördern“
Teil 3: Interview – Der Geschäftsführer des DJV-NRW über die wirtschaftliche Krise des Journalismus
Pakt mit dem Fakt
Teil 3: Lokale Initiativen – Das Zentrum für Erzählforschung an der Uni Wuppertal
Nicht mit Rechten reden
Der „cordon sanitaire médiatique“ gibt rechten Parteien keine Bühne – Europa-Vorbild Wallonien
Der Vogelschiss der Stammesgeschichte
Wenn Menschenrechte gleich Lügenpresse sind – Glosse
Ich, Menschenfeind
Intro – Rechtsabbieger
Die Unfähigkeit der Mitte
Teil 1: Leitartikel – Der Streit ums AfD-Verbot und die Unaufrichtigkeit des politischen Zentrums
„Die Chancen eines Verbotsverfahren sind relativ gut“
Teil 1: Interview – Rechtsextremismus-Forscher Rolf Frankenberger über ein mögliches Verbot der AfD
Antifaschismus für alle
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Bochumer Antifa-Treff
Hakenkreuze auf dem Schulklo
Teil 2: Leitartikel – Wo Politik versagt, haben Rechtsextremisten leichtes Spiel
„Man hat die demokratischen Jugendlichen nicht beachtet“
Teil 2: Interview – Rechtsextremismus-Experte Michael Nattke über die Radikalisierung von Jugendlichen
Zwischen Krawall und Karneval
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Bereich Gegenwart im Kölner NS-Dok klärt über Rechtsextremismus auf
Faschismus ist nicht normal
Teil 3: Leitartikel – Der Rechtsruck in Politik und Gesellschaft – und was dagegen zu tun ist
„Radikalisierung beginnt mit Ungerechtigkeitsgefühlen“
Teil 3: Interview – Sozialpsychologe Andreas Zick über den Rechtsruck der gesellschaftlichen Mitte