Was für ein wunderbares Ambiente! Für die Akustik-Tour von Heather Nova verlässt das Veranstaltungsteam der Zeche Carl ihr angestammtes Industrie-Areal und lädt in den atmosphärischen Sakralbau ganz in der Nähe ein. Über den Scherz, ob man aus dem Regal ein Gesangbuch mitnehmen müsse, kann das Einlasspersonal nur müde lächeln – der wird heute schon ein paarmal gebracht worden sein. Schon seit Jahren ist dieser pandemiebedingt verschobene Abend ausverkauft und man drängt sich bis neben den Altar-/Bühnenbereich ins Kirchengebänk. Das Kircheninnere ist stimmungsvoll ausgeleuchtet. Wer ähnliche Konzepte nicht bereits zum Beispiel aus der Kölner Kulturkirche oder der Bochumer Christuskirche kennt, amüsiert sich über das Bier, das im Ausschank ist. Der Getränkekonsum will allerdings wohl kalkuliert sein, denn der Weg zum WC führt nach draußen, über den Kirchenplatz, eine Straße und einen weiteren Platz ins Gemeindezentrum. Da könnte man bei ungünstigem Timing schonmal einen Teil des Konzerts verpassen. Nur gut, dass es nicht regnet…
Als Support hat Heather Nova Jonathan Frith eingeladen. Frith ist ein Cousin der Sängerin und seine nächste Platte wird auf Heathers eigenem Label erscheinen. Seine Stimme ist angenehm und er kommt sehr sympathisch rüber – aber man muss auch anmerken, dass Frith das Genre Singer/Songwriter nicht neu erfindet. Seinen Songs fehlt ein wenig die Dynamik, ein Spannungsbogen, der mitzureißen vermag. So bleibt nach seinem Set wenig hängen, keine prägnanten Melodien, keine großen Momente oder Emotionen. Nett eben, mehr aber auch nicht.
Von den Bermudas nach Altenessen
Das ändert sich schlagartig, als Heather Nova die Bühne betritt. Die zierliche Person nimmt mit „Beautiful Storm“ sozusagen im Sturm das gesamte Kirchenschiff ein. Der Sound in der Kirche ist glasklar, auch seitlich der Bühne von großer Brillanz. Heathers Stimme ist immer noch so überzeugend wie vor 30 Jahren in ihrem Spektrum von scheinbarer Verletzlichkeit über sirenenhafte Passagen bis zum emotionalen Ausbruch. Die Ausbrüche zügelt sie allerdings an diesem Abend. Das Akustikprogramm nimmt auch aus einer Rock-Nummer wie „Make You Mine“ (zusammen mit Jonathan Frith an Vocals und Mundharmonika) den Druck, ohne dass der Song an Intensität verlöre. Zwischen den Songs erzählt die Sängerin, die auf den Bermudas aufgewachsen ist, wie sie beim morgendlichen Spaziergang die herbstlichen Birken im Altenessener Park an Besucher bei ihrer Oma in Kanada erinnerten und leitet über zum Song „Rewild“. Die Besinnung auf die Natur ist eines ihrer zentralen Themen und Anliegen, ebenso das Schicksal ihrer heimatlichen Inselwelt im Angesicht des Klimawandels: Mit „I’m swimming over rooftops“ beginnt Ihr Song „Safe a Little Piece of Tomorrow“. Das Bild entstand aus dem Gedanken, dass ihr Sohn eines Tages das Haus seiner Kindheit weit unter dem Meeresspiegel vorfinden wird, wenn sich die Klimapolitik nicht ändert.
Am Stage-Piano zaubert Heather Nova eine herzzerreißende Coverversion von Foreigners „Waiting for a Girl Like You”. Schon auf ihrem kürzlich erschienenen Cover-Album „Other Shores” ist diese Version ein Highlight – live noch einmal um einiges dichter und absolut gänsehauterzeugend. Auch der Bee Gees Discoklassiker „Staying Alive“ (mit ihrem Tourmanager Jay an der Cajon) bekommt ein neues Gewand. Für „London Rain“ fragt Heather im Publikum nach Verstärkung und eine junge Frau namens Milena meistert die Herausforderung und ihr Lampenfieber ordentlich. Ein Highlight des Abends ist das gleichsam fragile wie kraftvolle „Island“. Dass die Künstlerin nach dem Abschluss des regulären Sets mit „Heart and Shoulder“ frenetisch mit Standing Ovations gefeiert wird, mag zu einem gewissen Teil auch den harten Sitzflächen der Kirchenbänke geschuldet sein – aber es ist absolut verdient. Mit einer Zugabe gibt sich das Publikum dann auch nicht zufrieden und Heather Nova beendet den Abend in der Kirche auch in Bezug auf die aktuelle Weltlage mit Journeys „Don't Stop Believin'“.
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