Clinic klingen auf „Free Reign“ angenehm schlaff. Es poltert verspult psychedelisch, während hinterherhinkende Bläser versuchen, den Groove zu umschlingen. Im 15. Bandjahr der Briten kann von Abgeklärtheit und sauberem Sound nicht die Rede sein: Clinic sind nicht clean, das klingt wie Junkiemusik in freundlich (Domino). Weniger Elektronik, mehr Krautrock – das ist grob die Richtung von Kreidler auf ihrem neuen Album „Den“. Bei Kreidler groovt es bassiger als in den 70ern, und die Sounds – leiernd, stockend, hüpfend – stehen klar im Raum. Überhaupt ist hier trotz des düsteren Grundtons alles sehr luftig (bureau b). Das Kölner Trio Aspen versteckt sich hinter Masken und macht auf seinem ersten Album „Lak T’an“ instrumentalen Postrock mit einem Hang zu Ambient und Krautrock. Schlagzeug und Bass setzen deutliche Akzente, darüber schichten sich Gitarre und Orgel – mal in Schlieren, mal in klaren Melodien (Selbstverlag). Das legendäre Minimal Wave-Trio Fraktus wird gerade in der gleichnamigen Doku im Kino gewürdigt. Die „Millennium-Edition“ versammelt ihre alten Hits mit groben Synthiesounds und noch gröberen Texten. Aber warum steht auf dem Cover „Studio Braun präsentiert“? (Staatsakt)
Mouse on Mars kehren von ihrem philharmonischen Ausflug mit dem zweiten Wurf aus dicken Beats und Quengelbass zurück: Die neusten Bassmusiken wie Dubstep, Juke und Co. haben mal wieder ihre Spuren im MoM-Sound hinterlassen. Das ganze wird dann noch in typischer MoM-Manie zerlegt und neu zusammengesetzt – Ehrensache! Ein Novum ist sicherlich, dass das Album auch mit einer eigenen App für das iPhone produziert wurde, die nun zusammen mit dem Album veröffentlicht wird (Monkeytown). Die ultimative Repräsentation eines digitalen Sounds kommt immer noch von dem Label Raster Noton. Nirgendwo sonst klingt Computermusik so klar, knackig und futuristisch. So auch die jüngste Veröffentlichung von Grischa Lichtenberger. Trotz allen Abstraktionswillens rocken auf „And IV [INERTIA]“ die Nullen und Einser, dass auch die Körpermoleküle nicht ruhig bleiben können. Pachanga Boys sind der Kölner Aksel Schaufler alias Superpitcher und Rebolledo aus Mexiko. „We are really sorry“ heißt ihr erstes gemeinsames Album mit vielen atmosphärischen Interludes, und auch der Rest ist weniger Burner für die Tanzfläche als minimalistische Skizze mit allerlei Albernheiten – charmant (Hippie Dance). Adam Butler von Hercules & Love Affair macht mit seinem Mix für DJ-Kicks eine Reise zum House der 90er. Nicht ganz überraschend, aber es hätte ja auch 80er-House oder 70er-Disco sein können. Ein hübsches Set mit DJ Duke, Cloud 9, Mankind und einem exklusiven Hercules-Track (K7).
Mit „Diablos del Ritmo“ legt das Frankfurter Label Analog Africa eine Sammlung kolumbianischer Stücke von 1965 – 1985 vor, die den Melting Pot tropischer Sounds repräsentiert. Mit 32 Stücken spürt die Doppel-CD der Vermischung afrikanischer und tropischer Musik nach: mitreißende Rhythmen, Melodien von Akkordeon, Bläsern und Piano. Dazu gibt es ein 60-Seitiges Booklet – großartig! Eine ganz andere Fusion hört man auf „Y’Anbessaw Tezeta“. Die altgediente, weltoffene holländische Punkband The Ex stieß vor knapp zehn Jahren auf den äthiopischen Saxophonisten Getatchew Mekuria. Seitdem spielten sie häufig zusammen – das aktuelle Album soll nach 60 Jahren des Musikerdaseins zugleich Vermächtnis und Rente des Äthiopiers sein – es ist ein Benefizalbum. Neben der wundervollen Kolaboration gibt es eine Bonus CD mit historischen Aufnahmen – u.a. von 1960 (Terp Rec.).
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