Freddie ist 25 als sie nach Südkorea reist, wo sie als Baby adoptiert wurde. Sie findet ihren biologischen Vater, sucht vergeblich ihre Mutter, lebt eine Weile in Korea, ohne die Sprache zu sprechen, dann wieder in Frankreich, kehrt wieder zurück nach Asien – immer noch auf der Suche nach ihren Wurzeln und nach sich. Davy Chou, selber Adoptivkind mit asiatischen Wurzeln, spart die französischen Parts aus und zeigt uns vor allem, wie Freddie sich an der koreanischen Kultur und vor allem den dortigen Geschlechterrollen reibt, in permanentem Neuerfindungsmodus, immer bereit, ihrer Umwelt Kontra zu geben. In teils langen, träumerischen Szenen, teils konfrontativen Dialogen und erzählerischen Ellipsen, entfaltet auch „Return to Seoul“ analog zu Freddies Suche ein Gefühl der Entfremdung und Entwurzelung. Ein großer nelancholischer Selbstfindungstrip.
Mit seinem Debüt „Girl“ hatte der Belgier Lukas Dhont gleich einen großen Kritikererfolg. Das Transdrama war sogar als belgischer Kandidat für den Auslandsoscar nominiert. Mit „Close“ widmet der Regisseur sich einer Freundschaft zweier Jungen, die gerade in die höhere Schule kommen und dort erstmals mit Fragen zu ihrem engen Verhältnis konfrontiert sind. Léo, der offensivere der beiden, distanziert sich daraufhin von dem ruhigeren Rémi – mit fatalen Konsequenzen. Sehr nah und intensiv beobachtet der Film die beiden fantastisch von zwei Schauspieldebütanten gespielten Jungen, ihren Umgang miteinander und mit ihrer Umwelt. Der Film zeigt vor allem, wie Léo mit seinen schmerzhaften Gefühlen umgeht und ebenso wie seine Umgebung nach Worten ringt. Das bewegende Drama erhielt in Cannes 2022 den Großen Preis der Jury und wurde soeben für den Oscar als Bester internationaler Film nominiert.
Die Allee der Kosmonauten in Marzahn-Hellersdorf. Hier wächst der 10-jährige Kalle auf, bringt den Müll raus, geht zur Schule und zum Fußballtraining, kümmert sich um sein Kaninchen und spielt abends auf dem verlassenen Spielplatz der Hochhaussiedlung. Die Mutter arbeitet viel, der Vater ist abgetaucht, die Großeltern kämpfen mit Alkoholproblemen und vermissen die DDR-Zeiten, in denen sie zumindest einmal im Jahr in den Urlaub fahren konnten… Seit ihrer „neugewonnenen Freiheit“ haben sie Berlin kein einziges Mal mehr verlassen können. So beginnt die Langzeitdokumentation „Kalle Kosmonaut“. Der fast schon ethnographische Stil der Dokumentation, in Verbindung mit kunstvoll gestalteten Comic-Passagen, rückt sehr nah an die Gefühlswelt des Jungen heran, zeigt ohne Wertung oder Klischees ein Leben zwischen Freundschaften, erster Liebe, Ausflügen in die Natur, Familie, Hip-Hop, aber auch Drogen, Gewalttaten, schließlich mehreren Jahren Knast, Schulden – und immer wieder den Wunsch nach Ausbruch aus dem Sog der Hochhaussiedlung.
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: Florian Zellers Familiendrama „The Son“, Kirill Serebrennikovs postsowjetische Satire „Petrov's Flu“, Josef Kubota Wladykas Actionthriller „Catch the Fair One“, Chinonye Chukwus biografisches Mississippi.Drama „Till - Kampf um die Wahrheit“, Laura Lackmanns Geschlechter-Komödie „Caveman“ und Tim Dünschedes Jugendkrimi „Die drei ??? - Erbe des Drachen“.
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