
The Room Next Door
Spanien, USA 2024, Laufzeit: 110 Min., FSK 12
Regie: Pedro Almodóvar
Darsteller: Julianne Moore, Tilda Swinton, Tom Johnson
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Preisgekröntes Drama um Sterbehilfe, überstrahlt von Julianne Moore und Tilda Swinton
Souverän bis zum Schluss
„The Room Next Door“ von Pedro Almodóvar
Die Tatsache zu akzeptieren, dass Menschen sterblich sind, fällt der New Yorker Autorin Ingrid (Julianne Moore) nicht leicht: Der Tod jagt ihr Grauen ein. Damit ist sie eigentlich eine ungeeignete Kandidatin für den Gefallen, den bald eine alte Freundin von ihr erbitten wird: Martha (Tilda Swinton), eine ehemalige Kriegsberichterstatterin, ist an Krebs erkrankt; sie sieht keine Perspektive mehr für eine Heilung und will den schmerzhaften Sterbeprozess mit Hilfe einer im Darknet organisierten Pille abkürzen. Ingrid soll sie dabei unterstützen. Nicht, um aktive Sterbehilfe zu leisten, sondern schlicht um da zu sein, im „Zimmer nebenan“, wenn sie die Pille schluckt. Die Autorin lässt sich nach einigem Zögern auf die Herausforderung ein. Sie begleitet Martha in ein Ferienhaus irgendwo im Wald, das die Sterbende als Ort für ihr Ende ausgesucht hat; dort gehen die Freundinnen spazieren, reden über Leben und Tod, tauschen Erinnerungen aus, schauen sich alte Filme an. Bis die Kranke sich irgendwann entscheidet, für den letzten Schritt bereit zu sein.
Einmal mehr erweist sich Pedro Almodóvar, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert und mit „The Room Next Door“ gerade den Goldenen Löwen beim Filmfestival in Venedig eingeheimst hat, als meisterlicher „Frauenregisseur“. Und das nicht nur, weil sich sein Film ganz darauf konzentriert, dem fulminanten Duo Swinton und Moore eine große Bühne zu bereiten, sondern vor allem, weil er daraus mehr noch als ein Sterbehilfedrama eine Hommage an weibliche Souveränität und weibliche Solidarität macht. Dabei hält sich Almodóvar mit dem Schrill-Melodramatischen auffällig zurück: Nur in Rückblenden, die um die Beziehung der Kranken zu ihrer entfremdeten Tochter und deren Vater kreisen, trägt die Regie emotional kurz so dick auf, wie man das aus anderen Almodóvar-Filmen kennt; wo es aber um den Sterbeprozess geht, bleibt der Ton auffällig gelassen. Das Sterben wird inszenatorisch eingehegt in exquisites Design: Die Räume, in denen sich die beiden gut situierten Freundinnen bewegen, und ihre Garderobe sind perfekt durchgestylt in strahlenden Farben – Rot, Türkis, Gelb – , die die Blässe der Sterbenden lebendig konterkarieren. Gefilmt in ruhigen, aufgeräumten Einstellungen, als sei‘s ein Gemälde von Edward Hopper.
Dieses Stilbewusstsein ist hier nicht nur Oberfläche, sondern hat durchaus Methode. Als Beitrag zum Thema Sterbehilfe bleibt „The Room Next Door“ eher flach; der Film hinterfragt das Für und Wider, die Entscheidungen der Protagonistin nicht wirklich, und mit den körperlichen Realitäten eines Krebstods hat er nicht viel am Hut. Was Pedro Almodóvar und seinen Hauptdarstellerinnen aber mit viel Grandezza gelingt, ist den Mut zu feiern, an dem Wissen um unsere Endlichkeit und Verletzlichkeit durch Krankheiten, Kriege und Co. nicht zu verzweifeln, sondern Leben als Gestaltungsspielraum zu begreifen, den es zu nutzen gilt – bis zuletzt. In seiner durchkomponierten Schönheit erklärt der Film Leben und Sterben selbst zur Kunst.
Filmfestival Venedig 2024: Goldener Löwe
(Felicitas Kleiner)

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