The Father
Großbritannien, Frankreich 2020, Laufzeit: 98 Min., FSK 6
Regie: Florian Zeller
Darsteller: Anthony Hopkins, Olivia Colman, Rufus Sewell
>> tobis.de/film/the-father
Großartig
Raspa (377), 13.06.2022
Matt513 hat den Film schon überaus treffend beschrieben, so dass ich eigentlich nicht mehr viel hinzufügen muss. Auch ich habe schon einige Filme zum Thema "Demenz" gesehen, darunter ausgezeichnete wie z.B. "Iris" über die letzten Jahre von Iris Murdoch, und leider auch einen so missratenenen wie "Honig im Kopf". "The Father" unterscheidet sich aber von allen anderen durch die Perspektive - Matt513 hat dies ja erklärt - , die einem als Zuschauer regelrecht den Boden unter den Füßen wegzieht. Ein Aspekt, der mich noch sehr berührt hat, weil ich einen ähnlichen Fall selbst erlebt habe, ist die schreckliche Ungerechtigkeit, mit der der alte Mann die verstorbene Tochter idealisiert und damit die andere, die sich für ihn aufopfert, immer wieder vor den Kopf stößt. Hopkins deutet in einem Interview an, dass sein eigener Vater sich ihm gegenüber ähnlich verhalten habe und dass es ein seltsames Gefühl gewesen sei, im Grunde den Charakter seines Vaters am Ende von dessen Leben nachzuzeichnen. Nun, woraus er auch geschöpft haben mag, seine Darstellungskunst ist grandios und gar nicht hoch genug einzuschätzen. Unbedingt sehenswert also!
Gespenstisch
Matt513 (259), 01.04.2022
Demenz, dieses tragische Lebensurteil, überzeugend und dabei auch begreifbar in bewegte Bilder zu setzen, dazu sind verschiedene Ansätze denkbar bzw. hat es bereits entsprechende Beispiele (hier vorliegend auch für die Bühne) gegeben.
Zeller macht dies besonders eindringlich: Ohne jegliche Vorwarnung nämlich läßt er den Zuschauer gewissermaßen am eigenen Leib erleben, wie sich ein Demenzkranker vorkommen muß. Der Film beginnt und beiläufig nimmt man Einrichtung und Raumaufteilung von Hauptfigur Anthonys Behausung zur Kenntnis, ebenso wie erste Begegnungen mit verschiedenen Personen. Die Begegnungen wiederholen sich und plötzlich schleichen sich Ungereimtheiten ein; dieser junge Mann dort, hieß der nicht eben noch anders, jene dort, stand sie nicht in anderer Beziehung zu Anthony? Und überhaupt, da war doch vorhin eine andere Einbauküche.. oder nicht? Der Blick aus dem Fenster, da war doch vorhin was anderes zu sehen.. oder? Man runzelt die Stirn; langsam steigt Unsicherheit auf, beginnt man an den eigenen Sinneseindrücken zu zweifeln - bis man versteht.
Für seine Darstellung hat Hopkins jeden Zentimeter seines Oscars verdient gehabt. Ich persönlich brauchte am Anfang etwas, bis ich das Bild von Dr. Lecter aus meinem Kopf 'raus hatte ;), zumal er hier auch minimal in Richtung eines, nennen wir's mal, manipulativen, alten Mannes spielt. Aber danach läuft er zu Höchstform auf. Über den Lauf des Films wird er zu einem hilflosen, weinenden Kind. Schon auf dem Set hatte Hopkins' überzeugendes Spiel zu Tränen gerührt. Und ich war ganz ergriffen. Demenz ist grausam; sie zerstört den Mensch besonders perfide. Als Außenstehender kann man nicht in den Kopf des Betroffenen blicken und somit kaum begreifen, was für ein fürchterliches inneres Gefängnis der Verlust der ratio bedeutet. Eigentlich ist der Film für solche, die es witzig finden, wenn alte Menschen tatterig werden, den Kontakt zur Realität verlieren. Vielleicht regt er zu mehr Empathie an.
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
„Barbenheimer“ goes Artiplex
Lösen sich die Kinounterschiede auf? – Vorspann 09/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Exklusiv: Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
Die Geschichte eines „Wochenendes“
Herr Schier und seine Agenturen – Vorspann 08/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
Kein Sommerloch in Sicht
Mit Blockbusterkino und Open Air – Vorspann 07/23
Cannes kann
Neue Werke von Hausner und Glazer an der Croisette – Vorspann 06/23
Die Scheiben des Kinos
Vom Zauber der Gebäude und Menschen – Vorspann 05/23
„Bei Schule können wir nicht einfach etwas behaupten“
3 Fragen an Johannes Duncker, Drehbuchautor von „Das Lehrerzimmer“ – Gespräch zum Film 04/23
Komplizinnenschaft
Das IFFF bietet einen Blick auf feministische Solidarität – Festival 04/23
Selfie mit dem Raptor
Dino-Show „Jurassic World: The Exhibition“ in Köln - Film 04/23
Endlich wieder in voller Blüte
Das Filmfestival-Comeback im April – Vorspann 04/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23
Mysteriöses auf schottischem Landsitz
„Der Pfau“ im Cinedom – Foyer 03/23
„Man muss sich über alte Zöpfe Gedanken machen“
Clemens Richert zur 44. Auflage der Duisburger Akzente – Festival 03/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
Blumen statt Kotbeutel
Warum wir die Kritik brauchen – Vorspann 03/23
Alle Farben der Welt
37. Teddy-Award-Verleihung bei der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Drei NRW-Filme im Berlinale-Wettbewerb
20. NRW-Empfang im Rahmen der 73. Berlinale – Foyer 02/23
Hochwertiges deutsches Filmschaffen
Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik 2022 auf der Berlinale – Foyer 02/23
„Einen Körpertausch würde ich nicht gerne machen“
Jonas Dassler über „Aus meiner Haut“ – Roter Teppich 02/23
Zurück nach 1973
Essener Filmkunsttheater setzen ihre Jubiläumsreihe fort – Vorspann 02/23
„Die Sichtung ist das Highlight!“
Katharina Schröder zum 30. Jubiläum des blicke Filmfestivals – Festival 01/23
Wenn kein Geschäft mehr sein darf
Die Stadt Mainz führt die Kinorettung ad absurdum – Vorspann 01/23
Sie sind zur Zeit nicht auf der Website angemeldet.
Melden Sie sich hier an, um einen Beitrag zu schreiben.